Dietrich Groebe aus Buchholz arbeitet bei der Organisation Ärzte ohne Grenzen mit

Buchholz. Ein Freitag im Juni, 7 Uhr morgens. Dietrich Groebe sitzt vor dem Computer, tippt Daten ein. Schweißperlen rinnen den Rücken hinunter. Bei 40 Grad im Schatten fällt die Arbeit schwer. Der Emergency Logistics Team Leader ist verantwortlich für alle logistischen Mitarbeiter in den fünf verschiedenen Projektstandorten rund um die Stadt Sokoto im Nordwesten Nigerias. Meningitis, Masern - "Wir impfen bis zu 20 000 Kinder täglich", so Dietrich Groebe. Für ihn ist es der dritte Einsatz als Volunteer, als Freiwilliger, für die medizinische Notafallorganisation Ärzte ohne Grenzen.

Wenige Tage später: In der Buchholzer Wohnung ist es kühl und aufgeräumt. "Wenn ich überlege, was ich seit 2006 alles dazu gelernt habe - beachtlich", sagt Dietrich Groebe und blättert in seinen Unterlagen. Der 67-Jährige ist noch ein bisschen müde und so ganz hat er sich an das kühle Wetter in Deutschland noch nicht wieder gewöhnt.

Zweieinhalb Monate hat der Buchholzer in Sokoto in einem Impfprojekt mitgearbeitet - unentgeltlich. Er ist einer von insgesamt 234 Freiwilligen, die von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Hilfsprojekten in internationalen Kriegs- oder Krisengebieten eingesetzt werden.

Angefangen hat für Dietrich Groebe alles 2002. Damals erkrankte seine Frau an Krebs. Der Schifffahrtskaufmann gab seinen Job auf, um sie zu pflegen. Zwei Jahre lang ist er ganz für sie da: waschen, füttern, wenden. Anfangs noch in der gemeinsamen Wohnung, später im Krankenhaus. Als sie zwei Jahre später starb, ließ sich Dietrich Groebe verrenten, da ist er 62.

Und dann? "Ich habe mir überlegt, was ich jetzt mit meinem Leben anfangen soll." Dietrich Groebe wollte aktiv werden, einen neuen Lebens-Sinn nach dem Tod finden. Und erinnerte sich daran, was ihm ein Arzt seiner Frau in der schwersten Not geraten hatte: "Sie machen das mit der Pflege so gut, sie sollten sich bei Ärzte ohne Grenzen melden."

Flüge und Impfungen bezahlt die Organisation

"Anfangs hat die Organisation gedacht, ich wolle nur vor der Leere davon laufen, den Schmerz kompensieren", so der Buchholzer. Er musste einen psychologischen Test absolvieren - und bestand. Dann gab es Vorstellungsgespräche in der Berliner Zentrale der Organisation, ein achttägiger Vorbereitungskurs in Holland folgte. "Die Organisation schaut sich ganz genau an, wen sie für ihre Projekte einsetzt und das ist gut so", findet er. Dafür bekommen die Freiwilligen alle Flüge, Impfungen und Untersuchungen bezahlt. Für die Einsätze gibt es außerdem eine Aufwandsentschädigung.

Dietrich Groebes erster Einsatz führte ihn im Sommer 2006 nach Usbekistan. Ein Jahr blieb er in dem Zentralasiatischen Land. In der Stadt Nukus betreibt die Organisation ein 65-Betten-Krankenhaus für Patienten mit multiresistenter Tuberkulose und ein Labor. "Ich war als Logistiker für das Lager zuständig. Für die Verwaltung und Bestellung von mehr als 600 unterschiedlichen Medikamenten und gut 700 Laborchemikalien", so Dietrich Gröber. "Es musste immer genug bestellt werden, um die Versorgung zu sichern, aber bloß nicht zu viel, da sonst das Verfallsdatum abläuft und sie unbrauchbar werden."

Keine leichte Aufgabe: "Wenn man bis spät in die Nacht über Bestellungen sitzt und mit unterschiedlichen Angaben zu kämpfen hat, ist das zermürbend." Ebenso wie die Kälte im Winter, die einen nach dem Abendessen sofort ins Bett treibt. In dem Haus, in dem er mit acht weiteren Projektmitgliedern untergebracht war, gab es keine Heizung. "Da habe ich mich schon manchmal gefragt: Ist es eigentlich das, was ich machen möchte?" so Dietrich Groebe. Seine Antwort: "Immer wieder - ja!"

2008 brach er wieder auf, wieder für ein Jahr, dieses Mal nach Turkmenistan. Auch hier wurde er in einem Krankenhaus eingesetzt, 30 Kilometer von der Grenze Afghanistans gelegen. In dem Projektkrankenhaus von Magdanly wurden hauptsächlich Mütter mit Kindern behandelt. "Die Kindersterblichkeitsrate war hoch, die Frauen hatten extrem schlechte Blutwerte", so Dietrich Groebe. Als Projektkoordinator war er für die Budget-Verwaltung und Prozessentwicklung vor Ort zuständig. Seine Arbeitszeit: montags bis sonntags, zehn bis zwölf Stunden täglich. "Das ist normal bei diesen Projekten." Eine anstrengende Aufgabe, "für die es ein optimal funktionierendes Team braucht", so der ehrenamtliche Helfer.

Ein Team, das er die ersten Tage nach seinen Einsätzen vermisse, räumt er ein. "Es ist immer schön, nach Hause zu kommen, meine Tochter, meine Enkelkinder wieder zu sehen."

Zwischen den Einsätzen sind Pausen nötig

Aber die Umstellung auf Deutschland, nein, die falle ihm nicht leicht. "Viele Menschen in Deutschland haben sich angewöhnt zu jammern. Das fällt mir nach meiner Rückkehr immer wieder auf. Wenn man die Menschen in Afrika sieht, weiß man, dass das Jammern auf ganz hohem Niveau ist." Aber als Volunteer braucht man die Pausen zwischen den Einsätzen, besonders er - sagt Dietrich Groebe. In den Projekten ist er mit 67 in der Regel der Älteste. "Das hat Vorteile, ich bin erfahrener, reagiere in Stresssituationen besonnener als manch junger Kollege." Dafür brauche er aber länger, um sich von den Strapazen eines Einsatzes zu erholen. Und er ist auch stolz auf das, was er leistet. "Wir mussten in meinen Projekten noch keine verdorbenen Medikamente verbrennen. Ich habe immer richtig kalkuliert."

Wie lange er das noch machen möchte? "So lange wie möglich", sagt er. Mit seiner Arbeit für die Ärzte ohne Grenzen habe er den Sinn in seinem Leben gefunden, den er vor sechs Jahren verloren hatte. Jetzt hat Dietrich Groebe erst einmal Zeit sich so richtig auszuruhen, bis es im Herbst wieder losgeht. Wahrscheinlich nach Swasiland, Afrika.