Die gemeinnützige Organisation Teach First Deutschland unterstützt die Stadtteilschule Ehestorfer Weg mit auswärtigen Fachkräften.

Harburg. Ein frischer Wind weht durch die Stadtteilschule Ehestorfer Weg - und trifft auf ein bunt bemaltes Windrad "Das ist es, unser Windrad. Oder Savonius-Rotor, nach seinem Erfinder", präsentiert Roland Wöhle, 32, das bunte Konstrukt aus Holzbalken, aufgeschnittenen Fässern und Seilen auf einer Wiese gleich neben dem Eingang der Stadtteilschule Ehestorfer Weg. Während Roland Wöhle neben dem Windrad steht, dreht der Wind das Rad langsam um die eigene Achse.

Der promovierte Maschinenbauer hat zwei Jahre lang als "Fellow" die Schule unterstützt. Fellows sind Hilfs-Lehrkräfte an Schulen. Sie sind selbst keine Lehrer, sondern bieten zusätzliche Angebote und Projekte an, wie Hausaufgabenbetreuung, Schülerfirmen oder Sportgruppen. "Nach Jahren an einer Schule wird man oft berufsblind. Durch einen Blick von außen kommt frischer Wind an die Schule", sagt Wolfgang Meyer, Schulleiter am Ehestorfer Weg.

Die gemeinnützige Organisation "Teach First Deutschland" schickte Roland Wöhle zusammen mit Florian Waldforst, 28, an die Schule. Teach First verschreibt sich der Unterstützung benachteiligter Kinder und Schulen, die in sozialen Brennpunkten liegen. Ihre Fellows wählt die Organisation aus hochbegabten Bewerbern aus und gibt ihnen anschließend eine Grundausbildung in Pädagogik.

Wolfgang Meyer holte Teach First vor zwei Jahren an die Schule. "Wir haben das Abenteuer einfach mal angenommen", erzählt er. "Dafür mussten wir zwar eine Lehrstelle abgeben, doch im Nachhinein hat es uns sehr bereichert. Die beiden haben auch mal einen Gitarren- oder Basketball-Kursus angeboten, wozu Lehrer einfach nicht die Zeit haben."

Roland Wöhle und Florian Waldforst verlassen zu den Sommerferien die Schule, doch ihre Arbeit bleibt. Sowohl in den Köpfen der Schüler, die beim Abschied teilweise Tränen in den Augen hatten, als auch auf dem Schulgelände. Das bunte Windrad haben die Schüler des Profils "Kreativwerkstatt" gebaut und bemalt.

Das Besondere an dem Rad: Es ist der exakte Nachbau eines Windrades, das "Ingenieure ohne Grenzen e.V." zurzeit in den Bolivianischen Dörfern Condorhuacha und Kochipata errichtet. Es soll dort, mit einer Pumpe verbunden, die Wasserversorgung der dort lebenden 120 Menschen von insgesamt siebeneinhalb auf 50 Liter am Tag erhöhen.

Die Konstruktionspläne des Savonius-Rotors bekam die Schule durch Florian Wittig, der an der Technischen Universität Hamburg-Harburg studiert und Mitglied bei "Ingenieure ohne Grenzen e.V." ist. Während des Baus eigneten sich die Schüler handwerkliche Fähigkeiten an und lernten, im Team zu arbeiten. Es galt immer wieder, Hürden zu nehmen. Der Konstruktionsplan war kompliziert. Die Schüler mussten günstiges Baumaterial beschaffen, das sie erst auf einem Schrottplatz im Norden Hamburgs fanden. Dann verzog sich beim Bau auch noch das Holz. "Jetzt, wo das Rad steht und funktioniert, sind die Kinder richtig stolz auf sich", berichtet Florian Waldforst.

Stolz ist auch die Schule, das Projekt herangeholt zu haben. Seit die Fellows an der Schule sind, hat sie zusätzlich ein neues Profilklassen-Konzept. So gibt es in den Klassenstufen 6 bis 10 pro Klasse eine Spezialisierung. Kreativwerkstatt, Bistro, Englisch oder Theater stehen jede Woche für jeweils einen Tag auf dem Stundenplan. "Ein Projekttag nimmt viele Fächer ein. Etwas Mathematik, etwas Englisch oder Sport", erklärt der Schulleiter. "Die Profile sind großartig und bringen die Schüler in ihrer Persönlichkeit wirklich weiter", fügt Florian Waldforst hinzu.

Da die Profile gleichzeitig mit Teach First in die Schule eingezogen sind, kann Wolfgang Meyer nicht beurteilen, wie sich die Profile ohne Fellows entwickelt hätten. Er ist sich jedoch sicher, dass die Kombination aus alternativer Unterrichtsform und flexiblen Lehrkräften die sozialen Fähigkeiten der Schüler nachhaltig gefördert haben.

Das Windrad wird nun erst einmal auf der Wiese neben dem Schuleingang stehen bleiben. Aber Wolfgang Meyer hat schon wieder Pläne. "Nach den Sommerferien bekommen wir zwei neue Fellows. Dann können wir vielleicht noch eine Wasserpumpe oder einen Generator an das Windrad anbringen", sagt er.

Dann würde der frische Wind, der durch die Schule weht, nicht nur das Windrad antreiben, sondern noch etwas für die Umwelt tun. Für die Schüler hat er bereits etwas bewirkt.