Energiewende nimmt Gestalt an. Der “Treibstoff“ kommt aus dem Dorf nebenan.

Neu Wulmstorf. Unklare politische Rahmenbedingungen und der schleppende Leitungsausbau würden nach Ansicht von 100 befragten Stadtwerke-Chefs in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien und der dezentralen Stromversorgung hemmen.

In Neu Wulmstorf aber nimmt die Energiewende immerhin im Kleinen bereits Gestalt an: Die EWE hat gestern ein Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen, das mit Biogas das Neu Wulmstorfer Rathaus, das Hallenbad, das Jugendzentrum, die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium mit Wärme versorgt. Zwei Millionen Euro hat das Oldenburger Energieunternehmen in das Kraftwerk und die Biogasleitung investiert. Das Kraftwerksgebäude in der Ernst-Moritz-Arndt-Straße ist in die Architektur der benachbarten Schule eingebettet.

Kunden sind die Gemeinde Neu Wulmstorf und der Landkreis Harburg. Der Vertrag zur Versorgung mit Wärme aus Biogas gilt für die nächsten 20 Jahre. Die Gemeinde Neu Wulmstorf erwartet, die Heizkosten seiner öffentlichen Gebäude entlang der Biogaspipeline pro Jahr um 25 000 bis 26 000 Euro zu senken. Erster Kreisrat Rainer Rempe geht davon aus, dass für Gymnasium und Realschule in Neu Wulmstorf 20 Prozent weniger Energiekosten anfallen.

In dem Kraftwerk produziert die EWE auch Strom, den sie in das öffentliche Netz einspeist. Die Leistung reicht aus, um etwa 250 Haushalte zu versorgen.

Das Biogas entsteht in der nur etwa sechseinhalb Kilometer entfernten Neu Wulmstorfer Ortschaft Ardestorf. Hier haben die drei Gesellschafter der Ardestorfer Bioenergie, der Geflügelunternehmer Heiner Schönecke sowie die beiden Landwirte Peter Reese und Henning Wiegers für drei Millionen Euro eine Biogasanlage errichtet. "Die Idee, direkt in der Nachbarschaft erzeugte Energie zu nutzen, hat uns von Anfang an begeistert", sagt Rainer Rempe.

13 Höfe aus der Nachbarschaft liefern die Rohstoffe. Nach Angaben von Heiner Schönecke entstehe das Biogas in Ardestorf aus Mais (50 Prozent), Hühnertrockenkot (30 Prozent) und Zuckerrüben (20 Prozent). Dem Rohbiogas wird zunächst das Wasser entzogen, bevor es in die Leitung eingespeist wird.

Zusätzliche Abnehmer entlang der sechseinhalb Kilometer langen Biogaspipeline von Ardestorf nach Neu Wulmstorf sind denkbar. Betriebe aus dem Neu Wulmstorf Gewerbegebiet oder auch Familien in Ovelgönne könnten mit Biogas heizen. Laut Heiner Schönecke habe die Stadt Buxtehude bereit signalisiert, einem Ausbau der Biogasanlage in Ardestorf nicht im Wege stehen zu wollen.

Landkreis und die Gemeinde Neu Wulmstorf hatten gemeinsam im November 2010 ein Energiekonzept für die Wärmeversorgung mit Biogas in Auftrag gegeben, die Umsetzung später europaweit ausgeschrieben. Der Landkreis bezieht zurzeit an sechs verschiedenen Standorten Wärme von Blockheizkraftwerken. Im Landkreis Harburg erzeugen insgesamt 30 Biogasanlagen an 21 Standorten Energie.