Der gemeinnützige Kostümfundus “KostümGut“ hält rund 2500 Kleidungsstücke für Theatergruppen bereit. Bald ist Schulspiel Pflichtfach.

Wilhelmsburg. Die Augen von Cornelia Zeuch leuchten, wenn sie das prachtvolle Kleid mit der Nummer 00055 in die Hand nimmt. Es ist ein braun-beigefarbenes Trachtenkleid mit eingenähtem Korsett und umwickeltem Rock. Das gute Stück hat ein schönes Blumenmuster und zwei Hakenverschlüsse. Am Kleiderbügel hängt eine Beschreibung: "F/H/36, Körbchen D". "Das ist ein Fantasiekleid, historisch, also etwa aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, Größe 36 mit Körbchengröße D", sagt die 42-Jährige.

Das Fantasiekleid in den Händen von Cornelia Zeuch ist eines von gut 2500 Kleidungsstücken, die in einer Werkstatt im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel gesammelt und aufbereitet werden: Am Veringhof 9.

Aus diesem Kostümfundus können sich ab heute Schulklassen, Kindergartengruppen und gemeinnützige Theatergruppen Kleidungsstücke ausleihen - zu einer geringen Pauschale für Reinigung und Instandsetzung. Betriebsleiterin Cornelia Zeuch, eine evangelische Theologin mit einem Master in Erwachsenenbildung, nimmt zwischen 8 und 14.30 Uhr Bestellungswünsche unter Telefon 040/31 76 81 65 entgegen.

Es gibt fast nichts, was es nicht gibt im "KostümGut" der gemeinnützigen Grone Netzwerk Hamburg GmbH: Oberhemden, Hosen, Blusen, Jacken, Kleider, Röcke, Jacketts und komplette Anzüge. Aber auch Tierkostüme, Schuhe, Schals, Tücher, Knie- und Ellenbogenschoner, Hemdattrappen, Schulterpolster, Hosenträger, Gürtel, Hüte und Mützen. Auch echte Stetson-Hüte und Hutmacherhüte aus Mohair sind unter den auszuleihenden Objekten. Die Nachfrage nach den "KostümGut"-Stücken dürfte groß sein: Denn als erstes Bundesland führt Hamburg Darstellendes Spiel ab dem Schuljahr 2012/13 als Pflichtfach ein - im Schnitt mindestens einmal pro Woche.

Alt ist im "KostümGut" vieles, verstaubt aber nicht: Im ersten gemeinnützigen Kostümfundus Hamburgs können sich Lehrer, Kinder und Jugendliche für ihre Theateraufführungen ausrüsten. Genäht wurden viele Kostüme von "NähGut", einem Grone-Projekt für benachteiligte Menschen.

Auch bei "KostümGut" arbeiten Menschen, die zurzeit keinen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Jeder arbeitet nach seinen Fähigkeiten. Die Wilhelmsburger Mediengestalterin Stefanie Labbow, 43, hat das Logo für "KostümGut" entwickelt, dazu Plakate, Flyer und das komplette Corporate-Design. Die alleinerziehende Mutter Jil Prengel, 23, hatte angefangen Kommunikationsdesign zu studieren. Sie kann hervorragend fotografieren und hat die Fotos für den "KostümGut"-Katalog gemacht.

Der Kunstmaler Roman Bekkermann, 42, hat hinreißende Aquarelle mit Sissy- und Sherlock-Holmes-Motiven gemalt, die auf der "KostümGut-Homepage" unter www.kostuemgut-grone.de zu sehen sind. Andere Kursusteilnehmer beschriften und katalogisieren die Kleidungsstücke, waschen und reinigen sie, nähen und bessern aus. Zwölf Teilnehmer können mit der Hand nähen, drei auch mit der Maschine. "Wichtig für unsere Leute ist, dass sie etwas Sinnvolles im Team machen und dass ihr Tagesablauf eine Struktur bekommt", sagt Cornelia Zeuch.

Jeder Ein-Euro-Jobber, der im Kostümfundus "KostümGut" arbeite, habe "eine andere Geschichte, die ihn zu uns geführt hat. Manche haben gesundheitliche Einschränkungen, manche familiäre Probleme, manche psychologische Beeinträchtigungen".

16 Frauen und Männer im Alter von 21 bis 56 Jahren nehmen an der Maßnahme im "KostümGut" teil. "Das schönste wird für unsere Teilnehmer sein, wenn Kindergärten und Schulgruppen kommen und in die Kostüme und Kleidungsstücke schlüpfen", sagt Cornelia Zeuch. "Alle Frauen und Männer leisten hier wertvolle Arbeit. Wir duzen uns alle. Das entspricht unserer Firmenphilosophie, die ein kollegiales Miteinander und Wertschätzung fördert. Wir pflegen hier demokratische Strukturen und setzen uns einmal pro Woche eineinhalb Stunden zu einer Teamsitzung zusammen."

Nicht nur Theatergruppen sollen nach Wilhelmsburg in das das "KostümGut" kommen. Cornelia Zeuch hofft auch auf Kindergartengruppen und (Vor-)Schulgruppen, die einfach mal für einen Vormittag vorbeischauen und Spaß daran haben, einmal in historische Kleidungsstücke zu schlüpfen.

Viele Kleidungsstücke aus dem Kostümfundus "KostümGut" kommen übrigens von professionellen Bühnen: von der Hamburger Staatsoper, aus dem Deutschen Schauspielhaus, aus dem neuen Opernloft und auch aus dem Thalia Theater.