Revierförster Bernd Schulze ist Herr über 520 Hektar Wald und 24 Stunden am Tag im Dienst. Bereits als Student jobbte er als Waldarbeiter.

Harburg. Sein Büro in der Eißendorfer Revierförsterei am Vahrendorfer Stadtweg 10 hält alle Insignien eines professionellen Forstwirts bereit: Rustikales Mobiliar und an den Wänden nicht nur große bunte Karten, auf denen die exakten Grenzen des Forsts verzeichnet sind, auch jede Menge Geweihe. Das auffälligste zierte vormals einen 18-Ender, einen kapitalen, 13 Jahre alten und 170 Kilo schweren Rothirsch. Viel mehr wollte Bernd Schulze dazu aber nicht sagen. Denn die Jagd ist der unwesentlichste Teil seines Jobs.

Heute feiert er seinen 60. Geburtstag - natürlich in der 1938 im Zuge des Großhamburg-Gesetzes erbauten Revierförsterei. Wo er seit Dezember 1979, also 33 Jahre und damit mehr als die Hälfte seines Lebens, im Wortsinn zu Hause ist. Denn hier befindet sich nicht nur sein Büro, auch seine Wohnung, die er mit Ehefrau Silke teilt. Hier sind auch seine Söhne Keijo, 32, und Max, 24, aufgewachsen, die als Facharzt und Außenhandelskaufmann aber anderen Professionen folgen als der Vater.

Dass sich Dienstliches und Privates oft vermischen, ist für Schulze vollkommen normal - und Teil seines Selbstverständnisses: "Förster bist du im Grunde sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag. Du lebst in und mit der Natur. Das ist nicht nur Berufung, sondern in gewisser Weise auch ein Geschenk."

Bernd Schulze, der während seines Studiums bereits als Waldarbeiter im Eißendorfer Forst jobbte, liebt das eiszeitlich geprägte Terrain mit seiner "überaus spannenden Geländemorphologie" über alles.

Dass er seinen Beruf mit Leib und Seele lebt, illustriert seine wache Erinnerung an jene Nacht Anfang März 1990, als das Orkantief "Wiebke" auch sein Revier heimsuchte. Vom Geheule des Windes wach geworden trieb es ihn seinerzeit voller Sorge vor die Haustür. Schulze: "Da tobte der Sturm in meinem Forst und ich konnte hören, wie durch die heftigen Böen reihenweise die höchsten und schönsten Bäume brachen. Eine beängstigende Geräuschkulisse, die mir in der Seele wehtat."

Die Bilanz war verheerend. Allein im Eißendorfer Revier mussten in den folgenden Tagen und Wochen 3000 Festmeter Bruchholz geborgen werden. So viel wird normalerweise in einem ganzen Jahr nicht geschlagen. Buchstäblich geköpft worden war in jener denkwürdigen Nacht auch Hamburgs höchster Baum, eine 52 Meter hohe Olympiadouglasie. Von dem Prachtexemplar stehen heute noch 30 Meter. Gewissermaßen als stummes Mahnmal, das noch immer an die brachiale Gewalt des Orkans von 1990 erinnert.

Douglasien, nordamerikanische Nadelgehölze, deren Heimat eigentlich Alaska und Kanada sind, wurden vor 140 Jahren rund um Hamburg angesiedelt. Im Eißendorfer Forst machen sie rund zehn Prozent des gesamten Baumbestandes aus. Am stärksten vertreten sind derweil Kiefern mit 28 Prozent, gefolgt von Buchen (25) Fichten (17) und Eichen (13).

"Klar auf dem Vormarsch sind aber Buchen", weiß Schulze. Als klassische Schattenbaumart würden sie in unseren Breiten nicht nur beste klimatische Bedingungen finden. "Da sie eben auch unter einem geschlossenen Kronendach gut gedeihen, eignen sie sich natürlich auch bestens für eine standortbezogene, naturnahe Bewirtschaftung unseres Waldes."

Das 520 Hektar unfassende Revier vorrangig als Erholungswald zu erhalten und zu entwickeln, sieht der gebürtige Bergedorfer unterdessen als seine Hauptaufgabe. Und ist deshalb auch ein Verfechter des Regionalparkkonzeptes, das ab Juni dieses Jahres den Staatsforst Hamburg noch enger mit den angrenzenden Revieren Niedersachsens verbinden soll.

Im Eißendorfer Forst gibt es schon jetzt 50 Kilometer Wanderwege und 15 Kilometer Reitwege. "Im Zuge der Umsetzung des Regionalpark-Konzepts sollen aber auch viele neue Routen speziell für Nordic Walker, Skater und Mountainbiker ausgewiesen werden, dann eben länderübergreifend", sagt Bernd Schulze.

Besonders am Herzen liegt dem "Herr des Eißendorfer Waldes" jedoch ein Feuchtbiotop, das vor einigen Jahren Im Stuck entstand. Durch Bodenabdichtung konnten zahlreiche Amphibien wie Erdkröten, Molche und Grasfrösche angelockt werden. "Zudem gibt es im südlichen Bereich des Reviers 180 Jahre alte Buchen, die ein Paradies für Schwarzspechte sind. So ist dort ein komplexer Lebensraum entstanden, in dem außer Rehen, Wildschweinen, Füchsen, Dachsen und Mardern auch Hirschkäfer wieder eine Chance haben", schwärmt Schulze.

Wer die Lieblingsplätze des Eißendorfer Försters mit eigenen Augen sehen will, sollte sich den 16. Juni vormerken. An diesem Tag lädt Bernd Schulze im Rahmen der "Langen Nacht des Naturschutzes" von 10 bis 13 Uhr zu einer Entdeckungstour durch sein Revier.