Harburg. Immer wieder machten Angestellte der Stadtreinigung im heißen Sommer 2007 nach ihrer Schicht bei der gemütlichen Ponton-Kneipe "Zur Reling" in Rothenburgsort Station, bestellten unter anderem kalte Getränke, Currywurst, Nackensteak und Pommes satt. Statt die Rechnung zu kassieren, soll die Wirtin ihren Stammkunden anschließend ein paar blaue Säcke extra an die Hand gegeben haben.

Ob sich diese Szenen so zugetragen haben, soll nun während eines Bestechlichkeitsprozesses vor dem Harburger Amtsgericht geklärt werden. Ein ehemaliger Angestellter der Kneipe soll der Polizei den Tipp gegeben haben, dass es mit der Abrechnungspraxis seiner Chefin und den Müllmännern nicht immer mit rechten Dingen zugegangen ist. Den Gastronomiebetrieb gibt es längst nicht mehr, der Ponton ging vor einigen Jahren in den Fluten unter. An die Currywurst könnte sich der eine oder andere der zehn Angeklagten, die Angestellten der Stadtreinigung sowie die Wirtin, dagegen noch erinnern.

Laut einer Regelung dürfen Müllmänner, die im öffentlichen Dienst tätig sind, nur maximal zehn Euro Trinkgeld pro Kunde annehmen, und das auch nur am Jahresende. Damit soll verhindert werden, dass die Müllwerker im Austausch auch mal mehr Abfall mitnehmen als erlaubt. Was ins private Portemonnaie der Stadtreinigung-Angestellten wandert, muss aufgelistet werden. Wird Müllmännern Kaffee oder Kuchen angeboten, dürfen sie zulangen, allerdings darf der Sachwert in Höhe von fünf Euro nicht überschritten werden. Und: "Es darf dabei keinerlei Gegenleistung gefordert werden", sagt Stadtreinigungs-Pressesprecher Reinhard Fiedler. Deshalb werde den Mitarbeitern geraten, auf Trinkgelder oder Geschenke grundsätzlich zu verzichten, "um nicht in falschen Verdacht zu kommen", so Fiedler.

Ob nun Pommes rot-weiß und gelegentlich mal eine halbes Hähnchen die Summe von fünf Euro überschritten hat und der Korruption Tür und Tor geöffnet wurde, das wollte der Harburger Amtsrichter Jan Malte Thies nicht unbedingt während der Beweisaufnahme des Verfahrens mittels Zeugenbefragung klären lassen. Deshalb machte er folgenden Vorschlag: Bei denjenigen Müll-Kollegen, die nur ein oder zweimal bei der Imbissrunde dabei waren, sehe er keine Unrechtsvereinbarung. Daher tendiere er dafür, sie freizusprechen. Bei den anderen regte Thies an, das Verfahren eventuell gegen Geldbuße einzustellen. Klar, dass die Anwälte und ihre Mandanten diesen Ausführungen etwas abgewinnen konnten.

Aber sie hatten nicht mit dem Staatsanwalt gerechnet. Da Thies bereits vor Beginn der Beweisaufnahme die Marschroute für den Ausgang des Prozesses festgelegt habe, sei er befangen in dieser Sache. Das müsse erst einmal geklärt werden. Der Prozess wird fortgesetzt.