Offenbar sind Archäologen dem zerstörten Franziskanerkloster in Winsen auf die Spur gekommen

Winsen. Bei der Ausgrabung des Archäologischen Museums Hamburg auf der Baustelle eines Restaurants in der Altstadt von Winsen hat eine Grabungshelferin die Überreste eines 500 Jahre alten Totenschädels entdeckt. Kreisarchäologe Dr. Jochen Brandt hält es für wahrscheinlich, mit dem Knochenfund auf den ersten archäologischen Hinweis auf das 1528 von einem Feuer zerstörte Franziskanerkloster gestoßen zu sein. Bisher haben nur Schriftstücke die Existenz des Klosters in Winsen bestätigt.

In zwei Meter Tiefe sind die Archäologen auf die Bauschichten des 14. und 15. Jahrhunderts vorgestoßen. Hier fanden sie die Schädeldecke und den Kiefer des Toten, den die Wissenschaftler nüchtern "Fundstück 107" nennen. Noch wissen sie nahezu nichts über das Schicksal des Toten, doch eines gilt als sicher: Er ist dort auf der Luheinsel in einem Grab beerdigt worden. Eisenbeschläge und Sargnägel sowie die Lage des Toten seien eindeutige Hinweise auf ein Grab. "Es sieht alles nach einer normalen Bestattung aus."

Zu der damaligen Zeit sind Menschen nur an zwei Orten in Winsen bestattet worden: auf dem Friedhof der Kirche St. Marien - oder auf dem Gottesacker des Franziskanerklosters. Deshalb gehen Jochen Brandt und Grabungsleiter Lars Stebner davon aus, dem verschwundenen Kloster auf die Spur gekommen zu sein, das laut historischen Quellen von 1478 bis 1528 in Winsen existierte.

Wer der Tote war, ist offen. Es könnte ein Mönch gewesen sein oder aber auch ein Stadtbewohner, der sich käuflich das Recht erworben hatte, auf dem Friedhof des Franziskanerklosters bestattet zu werden. Auch ob "Fundstück 107" ein Mann oder eine Frau gewesen ist, ist noch nicht bekannt.

Ein Anthropologe soll später die Schädelreste untersuchen und einige Rätsel um den Toten lösen. "Zahnbefunde sind immer ganz spannend", sagt Jochen Brandt. Die Archäologen werden erfahren, in welchem Alter der Mensch gestorben ist und wie er sich ernährt hat.

Eine Woche noch haben die Archäologen Zeit, in der 100 Quadratmeter großen Baugrube an der Deichstraße weiter nach Hinweisen auf das untergegangene Franziskanerkloster zu suchen. Dann werden die Bauarbeiten für ein Restaurant mit Balkan-Küche beginnen.

Insgesamt 112 archäologische Fundstücke haben Lars Stebner und seine Grabungshelfer in den vergangenen vier Wochen sichergestellt. Dazu zählt auch ein Hundeschädel. Die Wissenschaftler meinen, dass das Tier im 16. oder 17. Jahrhundert bestattet worden sei. Im Boden lagen auch Keramikscherben, feinstes Tischgeschirr aus dem 15. Jahrhundert.

Zudem haben die Grabungshelfer eine Kellertreppe freigelegt. Der Keller selbst war mit Schutt befüllt. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Haus auf der Parzelle an der Deichstraße 15 abgebrannt ist.