Die Ausstellung “Echt Klasse“ soll Marmstorfer Grundschüler gegen Missbrauchsversuche stärken und auf Gefahren sensibilisieren.

Marmstorf. Auf dem Weg zur Schule lauert der "Mitschnacker" - eine Albtraumvorstellung für Eltern. "Denn kein Kind kann sich vor Missbrauch schützen", sagt Christina Okeke, Sozialpädagogin und Mitarbeiterin der Fachberatungsstelle "Zündfunke", die Opfer sexuellen Missbrauchs betreut. Außerdem stellt "Zündfunke" in Kooperation mit der Harburger Sicherheitskonferenz und der Opferschutzorganisation "Weißer Ring" die Ausstellung "Echt Klasse", die zurzeit Schülern der Grundschule Marmstorf am Ernst-Bergeest-Weg zur Verfügung steht. Interaktiv und kindgerecht sollen schon die Kleinsten an Arbeits- und Spielstationen auf Gefahren in ihrem Umfeld sensibilisiert und dagegen gestärkt werden.

"Aus Statistiken geht hervor, dass etwa jedes fünfte Kind bis zu einem Alter von 18 Jahren einmal oder sogar mehrfach von Missbrauch betroffen ist", so Okeke. Daher mache es Sinn, Jungen und Mädchen so früh wie möglich auf Gefahren aufmerksam zu machen. Das sieht Schulleiterin Birgitta Lindhorst genauso. Ihr geht es um sinnvolle Prävention für ihre 407 Schützlinge. Dabei musste sie zunächst Überzeugungsarbeit bei den Eltern leisten. Eine Informationsveranstaltung im Dezember vergangenen Jahres zeigte ihr "dass das Thema sexuelle Übergriffe und wie ich mein Kind davor schütze, durchaus ein Thema für Mütter und Väter ist", so Lindhorst. Denn der Elternabend zur Ausstellung war sehr gut besucht. Berührungsängste mussten abgebaut werden. Lindhorst: "Viele konnten sich nicht vorstellen, wie eine solche Ausstellung für Grundschulkinder konzipiert ist. Natürlich werden keine zweideutigen Fotos von nackten Menschen gezeigt." Und eine Brennpunktschule sei die Einrichtung keineswegs. "Es gibt keine Auffälligkeiten, aber wir wollen gewappnet sein. Außerdem kommt Kindesmissbrauch auch in den so genannten ordentlichen Stadtteilen vor."

Um was es bei "Echt Klasse" primär geht, zeigt Sozialpädagogin Okeke Erstklässlerin Jana. "Nicht alles, was Erwachsene machen, ist in Ordnung. Gerade zu Fremden ist es angebracht, Nein zu sagen." Und dafür gibt es eine knallrote Arbeitsstation. Die "Zündfunke"-Mitarbeiterin geht mit Jana brenzlige Situationen durch. Ist es angebracht, einfach so zu einem unbekannten Mann ins Auto zu steigen? Soll ich einer Frau helfen, die mich im Supermarkt darum bittet - oder ist es angebracht, erst einmal Mutti oder Vati zu fragen, ob das okay ist? Jana muss einen Zeiger in ein "Ja" oder "Nein"-Feld ziehen. An der nächsten Station sollen sich die Sprösslinge darüber bewusst werden, was gute und schlechte Gefühle sind. "Und dass es nicht in Ordnung ist, überall am Körper berührt zu werden", so Okeke.

+++ Weisser Ring hilft noch mehr Opfern von Kriminalität +++

Ein großes Würfelspiel-Brett gehört ebenfalls zur Ausstellung. Gleich drei Felder weiter kommen die Spieler, wenn sie am folgendem Punkt ankommen: "Dein Schulweg führt Dich durch einen Tunnel. Da steht ein Mann mit heruntergezogener Hose. Du läufst schnell zur Schule und sagst es Deiner Lehrerin."

Drastisch? Prävention sei eben kein Projekt, es sei eine Haltung, so die Schulleiterin. "Wenn wir Mädchen und Jungen nachhaltig vor Übergriffen schützen wollen, dann müssen wir kontinuierlich daran arbeiten." Drei Wochen lang wird die Ausstellung an der Schule bleiben. Lehrer und das "Zündfunke"-Team begleiten die Schüler durch die Stationen.

Dank einer Spende der Sicherheitskonferenz Harburg steht die interaktive Schau weiteren Schulen im Hamburger Süden zur Verfügung. Sie soll auch dazu beitragen, dass im Elternhaus Hemmschwellen abgebaut werden. Denn von sich aus, so Okeke, reden Kinder nur selten über den Missbrauch, weil sie sich für das Vorgefallene schämen, oftmals auch verantwortlich fühlen. In vielen Fällen wird daher Missbrauch durch Hinweise Außenstehender erkannt. So sind es häufig Erzieher im Kindergarten, Lehrer und Ärzte, denen Anzeichen am Kind aufgefallen sind. Die Scham sei groß. "Denken wir nur an die Missbrauchsfälle in katholischen Kirchegemeinden. Da trauen sich die Betroffenen erst nach Jahrzehnten, über das Gewalterlebnis zu sprechen", sagt die Sozialpädagogin. Lindhorst stimmt zu. "Nur wenn wir alle an einem Strang ziehen, kann es mit der Verhinderung von Übergriffen klappen."