Eine Glosse von Harry Grunwald

Manche Redensarten tauchen plötzlich im Sprachgebrauch auf, wie über Nacht. Ihre Herkunft ist nur schwer oder überhaupt nicht zu ermitteln, und manchmal verschwinden sie ganz plötzlich wieder in der Versenkung.

"Nicht wirklich" war bis vor gut einem Jahr ein solcher Spruch. Hast du Lust auf einen Spaziergang? Nicht wirklich. Hat die Wurst in der Imbissbude geschmeckt? Nicht wirklich. Hattet ihr einen schönen Urlaub? Nicht wirklich, total verregnet.

Die Redewendung ist nicht wirklich mehr aktuell, sie wurde abgelöst von "alles gut". Wie geht es dir? Alles gut. Hast du beim Weggehen die Haustür abgeschlossen? Alles gut. Ich habe leider kein Kleingeld, können Sie 50 Euro wechseln? Alles gut.

Wie gut, dass der Spruch für fast alle denkbaren Situationen passt, er ist wie geschaffen für mundfaule Mitmenschen. Man erspart sich lange Erklärungen, lästige Fragen werden mit zwei Worten abgebügelt. Alles gut! Die beiden Worte können aber auch beruhigen und Trost spenden. Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten, womöglich sogar ernsthafte Probleme? Alles gut!

Bleibt nur zu hoffen, dass unsere Sprache sich auf Dauer nicht ganz und gar auf solche Zwei-Wort-Sätze reduziert. Aber es gibt hier wohl kaum Grund zu Pessimismus und Schwarzmalerei, unser Deutsch hat bisher alle Klippen sicher umschifft. Alles gut!