Wirtschaftsprüfer halten Preis für die Müllverbrennung für rechtswidrig. Betroffene Landkreise verlangen Aufklärung

Winsen/Stade. Mit Hausmüll lassen sich Profite in Millionenhöhe machen. Nach Recherchen des Fernsehmagazins Frontal 21 sollen die Kosten für eine Tonne Müll, die in der Müllverwertung Rugenberger Damm (MVR) verbrannt wird, bei 66,94 Euro liegen. Der Gebührenzahler, unter anderem die Bewohner der beiden Landkreise Stade und Harburg, zahlt laut Frontal 21 für eine Tonne Hausmüll, die in der Hamburger Anlage verbrannt wird, mehr als das Doppelte, nämlich 159,25 Euro. Das sind Zahlen aus dem Jahr 2010. Nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder aber dürfen Gebühren lediglich kostendeckend sein.

Allein der Landkreis Harburg liefert rund 30 000 Tonnen Hausmüll jährlich an die MVR. Insgesamt werden in der Anlage jährlich bis zu 320 000 Megagramm Hausmüll verbrannt und damit Fernwärme und Strom erzeugt und verkauft. Dank der hohen Gebühren fahren die MVR und mit ihr ihre Gesellschafter wie die Hamburger Stadtreinigung und damit die Hansestadt Hamburg satte Gewinne ein. Mit den Kreisen Stade, Harburg, Rotenburg und mit dem Heidekreis sind insgesamt vier niedersächsische Landkreise vertraglich noch bis zum Jahr 2019 an die MVR gebunden.

Die Zahlen, die Frontal 21 jetzt veröffentlicht hat, will Vattenfalls Sprecher Alexander Hauk nicht bestätigen. Richtig sei, so Hauk, dass "wir im vergangenen Jahr Gewinne erzielen konnten". Der Stromerzeuger Vattenfall hält als Gesellschafter der Müllverbrennungsanlage 55 Prozent. Der dritte Gesellschafter der MVR ist die EWE AG mit 20 Prozent.

Stades Landrat Michael Roesberg (parteilos) sieht dringenden Gesprächsbedarf mit dem Vertragspartner, der Stadtreinigung Hamburg. Roesberg: "Wenn die von Frontal 21 befragten Wirtschaftsprüfer die Preise für rechtswidrig ansehen, ist das für uns vier Kreise Anlass genug, mit unserem Vertragspartner zu sprechen. Dass unsere Gebühren, die wir an Hamburg zahlen, hoch sind, wussten wir schon vorher, aber dass sie auch rechtswidrig sein könnten, gibt der Sache eine neue Dimension." Es gebe, so der Stader Landrat allerdings noch weitere Anlässe, um mit den Vertragspartnern zu sprechen. In einem aktuellen Urteil, das noch nicht rechtskräftig sei, so der Landrat, erkläre das Oberlandesgericht Hamm die Mindestmengenregelung für nichtig.

Alle vier Landkreise sind verpflichtet, gemeinsam jährlich 120 000 Tonnen Müll nach Hamburg zu liefern. Wer weniger liefert, zahlt laut Vertrag trotzdem die volle Menge. Roesberg: "Als wir Mitte der 90er-Jahre die Verträge mit der Stadtreinigung abgeschlossen haben, gab es beispielsweise noch keine gelben Säcke. Und insgesamt hat sich, aus ökologischer Sicht natürlich erfreulicherweise, die produzierte Müllmenge verringert."

Die Stader Grünen, sie stimmten damals als einzige Fraktion im Stader Kreistag gegen den Vertrag mit der Hamburger Stadtreinigung, sehen sich jetzt im Nachhinein, genau wie die Grünen im Harburger Kreistag, in ihrer Kritik bestätigt. Fraktionschef Ulrich Hemke: "Ich bin froh darüber, dass dieses Thema jetzt noch einmal von der ökonomischen Seite her aufgerollt wird. Im Prinzip ist es ein Skandal, mit welcher Gier, wenn denn diese Zahlen stimmen, hier zu Lasten der Kommunen kalkuliert und die Gebührenzahler ausgeplündert werden." Und die CDU-Fraktion im Stader Kreistag fordert in einem Antrag, dass die vertraglichen Konditionen mit der Stadtreinigung geprüft werden.

Im Winsener Kreishaus gibt man sich "überrascht über diese Zahlen", so Kreishaus-Sprecher Bernhard Frosdorfer. Frosdorfer: "Wir stehen natürlich seit Bekanntwerden der Zahlen mit den anderen drei Landkreisen in engem Kontakt." Als nächster Schritt sei jetzt ein Treffen der Verwaltungsspitzen aus Stade, Winsen, Rotenburg und aus dem Heidekreis geplant.

Bernhard Frosdorfer: "Dann wird entschieden, wie wir mit diesen Informationen umgehen. Wenn schon Wirtschaftsprüfer sagen, dass diese Gewinnspannen rechtswidrig sind, dann werden wir das auch noch mal prüfen lassen müssen." Dann müssten die Kreise "mit den Hamburgern sprechen", so der Sprecher im Winsener Kreishaus.

Vattenfall-Sprecher Alexander Hauk weist die Vorwürfe, die MVR und damit ihre Gesellschafter würden auf Kosten der Gebührenzahler satte Gewinne einfahren und mit völlig überhöhten Preisen kalkulieren, weit von sich. Hauk: "Bei den Vorwürfen handelt es sich um Momentaufnahmen, die unseriös sind. Denn nicht berücksichtigt wurde, dass aktuellen Gewinnen hohe Anfangsverluste aufgrund der degressiven Abschreibung entgegenstehen." Eine Preisprüfung aus dem Jahr 2007 der unabhängigen Preisüberwachungsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg habe ergeben, so Hauk weiter, Dass "die Kalkulation der MVR unterhalb der nach Preisrecht festgestellten Obergrenze liegt". Grund für diese Preisprüfung waren etliche Klagen von Bürgern aus dem Landkreis Harburg, die sich damals schon gegen überhöhte Müllgebühren wehrten. Dazu Dr. Erhard Schäfer, Mitglied der Fraktion der Grünen im Harburger Kreistages und einer der Kläger, die sich damals gegen die hohen Preise wehrten: "Wir haben schon immer moniert, dass es Nonsens ist, dass die Stadt ihre eigenen Preise prüft. Schon bei der ersten Preisprüfung im Jahr 2002, drei Jahre nach Beginn der Laufzeit des Vertrages, hatte Hamburg sich selbst geprüft, obwohl damals noch die alte Bezirksregierung Lüneburg existierte und zu prüfen gehabt hätte." In einem Eilantrag beantragen Schäfers Fraktion und die Linke im Harburger Kreistag am 12. März, dass Landrat Joachim Bordt (FDP) von der Stadtreinigung Hamburg eine "umgehende Erklärung" verlangen solle.

Außerdem fordert die Gruppe von Grünen und der Partei Die Linke, dass der "Landrat einen Strafantrag bei der Staatsanwalt stellt, um strafrechtliche Ermittlungen gegen die Stadtreinigung Hamburg und gegen die MVR zu erwirken". Ziel müsse es sein, so schnell wie möglich aus dem Vertrag auszusteigen, so Schäfer.