Klassentreffen nach 50 Jahren. Die 30 Schülerinnen der Realschule Eißendorfer Straße halten noch sehr engen Kontakt miteinander.

Harburg. Heute heißt sie Gesamtschule und Stadtteilschule Harburg. Vor 50 Jahren war es die Haupt- und Realschule Eißendorfer Straße 26, eine reine Mädchenschule. Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit die 30 Realschülerinnen der Klasse M 10 die Prüfung der Mittleren Reife ablegten. Am 15. März war ihre Schulentlassung. Aber diese Klasse hat sich auch in den Jahren danach nie aus den Augen verloren.

"Wir werden wieder quatschen bis zum Umfallen", sagt Brigitte Schütt, 65. Zusammen mit ihrer Klassenkameradin und besten Freundin Monika Roggon, 66, bereitet sie nun das Jubiläums-Treffen "50 Jahre nach der Schulentlassung" vor. 27 Schülerinnen sind noch dabei, etwa die Hälfte wohnt in der Gegend um Hamburg, der Rest verteilt sich auf das Bundesgebiet zwischen Garmisch-Partenkirchen und Flensburg. Vier leben im Ausland, eine davon in Spanien, eine in Italien und zwei in Südafrika. Ob auch die Südafrikanerinnen kommen können, steht noch nicht fest. Am 30. März, 16 Uhr, ist die Zusammenkunft. Die Schulleitung öffnet sogar den Klassenraum zur Besichtigung. Danach geht es zum Feiern in den Goldenen Engel. Das erste Treffen war bereits 1963, ein Jahr nach der Schulentlassung, damals im Lindenhof in der Heimfelder Straße, danach folgten Treffen etwa alle fünf Jahr, zuletzt 2007 im Köpi, ebenfalls an der Heimfelder Straße.

Monika Roggon war früher Klassensprecherin und Brigitte Schütt war für die Finanzen zuständig, hat die Klassenkasse verwaltet, für den Schulverein kassiert und Namenslisten geführt. So sind die beiden auch immer die Drahtzieher der Klassentreffen geblieben. "Ich habe immer aufgepasst, dass ich bei Hochzeiten die Namens- und Adressenwechsel mitbekomme", sagt Brigitte Schütt. Ihr Mädchenname ist Peters.

Und an welches Erlebnis erinnern sich die Damen besonders gern zurück? Monika Roggon: "Das war die Klassenreise in der achten Klasse nach Puan Klent auf Sylt. Wir hatten tolle Ausflüge, viel Sport und Freizeit." Und Brigitte Schütt erinnert sich an einen Wintertag: "Wir hatten aus dem offenen Klassenfenster runtergespuckt auf die Kerschensteiner Straße und wollten sehen, ob die Spucke festfriert. Offensichtlich hatten wir dabei eine Fußgängerin getroffen, denn wenig später war der Schuldirektor im Klassenzimmer und fragte, wer das gemacht hat. Wir meldeten uns und bekamen keinen Ärger. Er schimpfte überhaupt nicht mit uns und lachte sogar."

Aber das Ende der Schulzeit vor 50 Jahren hatte auch seine Schattenseiten. In der Nacht von Freitag auf Sonnabend, vom 16. auf den 17. Februar 1962, war in Hamburg die Flutkatastrophe . Deiche waren gebrochen. 315 Menschen kamen ums Leben. Es gab unzählige Verletzte und viele Menschen, die Haus und Hof, Hab und Gut verloren. Über Nacht war die Schule Aufnahmequartier für Gerettete geworden und auch Ruheplatz für Soldaten der Bundeswehr, die im permanenten Rettungseinsatz waren.

Brigitte Schütt: "Wir hatten damals noch am Sonnabend Unterricht und wollten uns eigentlich auf die mündliche Prüfung vorbereiten. Aber wir wurden gleich um acht Uhr losgeschickt und mussten bei den Bewohnern der Nachbarschaft um Wolldecken und Kleidung bitten." Monika Roggon: "Es war auch der Strom ausgefallen. Meine Eltern hatten eine Drogerie in der Heimfelder Straße. Und ich war im Laden und habe alle Kerzen eingepackt, die ich bekommen konnte. Ich habe auch noch immer Bilder vor Augen, die ich nicht loswerde und bei denen es mich schaudert. Ich sehe, wie Soldaten eine gerettete alte Frau in die Schule tragen, deren Beine ganz blau gefroren waren. Brigitte Schütt: "Auch mir stellen sich noch die Haare hoch, wenn ich an die vielen Menschen denke, die von Soldaten von den Lastwagen gehoben und in die Schule getragen wurden. Eine Frau hatte nichts weiter an als ihr Nachthemd." Die Schülerinnen der Abschlussklassen halfen mit bei der Ausgabe von heißer Suppe und Bekleidung. Im Physikraum waren die Soldaten untergebracht. Sie schliefen am Boden auf Stroh und in Schlafsäcken.

Die mündliche Prüfung verschob sich um fast zwei Wochen, bis an der Schule wieder Normalität eingekehrt war. Zur Verabschiedung hatte sich die Klasse für ein Foto vor dem Schulgebäude aufgestellt. Darauf ist auch Klassenlehrer Helmut Schenkowitz zu sehen. Schenkowitz nahm später noch an mehreren Klassentreffen teil.