Niedersachsens neuer Umweltminister Stefan Birkner im Abendblatt-Interview

Hannover. Gleich zwei politische Kontroversen belasten das Verhältnis der Nachbarländer Hamburg und Niedersachsen: die geplante Elbvertiefung und die Förderung von Trinkwasser in der Nordheide. Das Zögern Niedersachsens, sein Einvernehmen zur Fahrrinnenanpassung zu erteilen, verärgert die Hamburger Hafenwirtschaft. Niedersachsens neuer Umweltminister Stefan Birkner (FDP, 38) unterstützt die Idee eines Fonds zur Neuregelung der Wasserwirtschaft in der Lüneburger Heide, in den Hamburg einzahlen soll. Das Abendblatt sprach mit dem Minister in Hannover.

Hamburger Abendblatt:

Die EU-Kommission hat der Elbvertiefung zugestimmt. Die von den Planungsbehörden vorgeschlagenen Ausgleichsflächen seien größer und ökologisch wertvoller als das von der Fahrrinnenanpassung betroffene Gebiet - kann Niedersachsen nach der Zustimmung der EU-Kommission zur Fahrrinnenanpassung überhaupt noch anders als sein Einvernehmen zu geben?

Stefan Birkner:

Ja, weil das, was die EU zu beurteilen hat, nicht einvernehmensrelevant ist. Die Fragen bei der Einvernehmenserteilung konzentrieren sich auf die Verschiebung der Brackwasserzone flussaufwärts und auf die Deichsicherheit. Die Prüfung wird einige Zeit in Anspruch nehmen und ist ergebnisoffen. Was die EU zu den Naturschutzbelangen geäußert hat, fällt nicht darunter.

Was genau sollen Hamburg und der Bund noch leisten, damit Niedersachsen sein Einvernehmen erteilen kann?

Birkner:

Es zeichnet sich ab, dass im Bereich Altes Land Bewässerungsprobleme auftreten und da müssen zufriedenstellende Lösungen her. Wie die im Detail aussehen, müssen die Fachleute diskutieren. Es muss eine Beregnung möglich sein und ein Frühwarnsystem. Die Interessen der Obstbauern sind für uns von entscheidender Bedeutung.

Die Wasserbauingenieure kommen in ihren Modellrechnungen zu anderen Einschätzungen als Menschen, die seit Jahrzehnten an der Elbe leben und den Fluss beobachten. Können Sie die Furcht der Menschen am niedersächsischen Elbufer vor dem tiefen Strom nachvollziehen?

Birkner:

Ich kann die Sorgen der Menschen dort sehr gut verstehen. Die Deichsicherheit ist überlebenswichtig für diese Region. Für den Lebensraum und den Wirtschaftsraum muss die Deichsicherheit unbedingt gewährleistet sein. Deshalb muss man die Ängste der Bewohner am Deich natürlich sehr ernst nehmen. Und zur Veränderung der Brackwasserzone: Menschen aus der Region berichten mir, und das hat sich schon bei der vorangehenden Elbvertiefung gezeigt, dass die Dinge sich anders entwickelt haben als prognostiziert. Dem muss man Rechnung tragen. Wir hatten auch unsere Probleme, als es um die Vorlage der Beweissicherungsunterlagen ging. In der Vergangenheit ist das eine oder andere nicht optimal gelaufen und so etwas ist nicht Vertrauen erweckend. Die Landesregierung versteht sich hier als Anwalt der Region.

Wenn Ministerpräsident David McAllister Sie nach einer Empfehlung des Kabinetts fragen würde: Soll Ihrer Meinung nach Niedersachsen das Einvernehmen zur Elbvertiefung erteilen oder nicht?

Birkner:

So eine Frage würde er mir nicht stellen, denn er weiß ja auch: Ob und inwieweit wir das Einvernehmen erteilen können, prüfen wir und ist von dem Ergebnis abhängig. Ich würde Ihnen diese Frage auch nicht beantworten, weil eine Kabinettssitzung vertraulich ist.

Ich hatte jetzt auf ein Ja oder Nein gehofft...

Birkner:

... aber Sie haben nicht wirklich damit gerechnet...

Es wäre aber eine schöne Neuigkeit gewesen, wenn Sie Ja oder Nein gesagt hätten ...

Birkner:

Bei der Vergabe des Einvernehmens bewegt sich die Landesregierung nicht in einem rechtsfreien Raum. Es gäbe ja noch theoretisch die Möglichkeit, das Einvernehmen durch einen Gerichtsentscheid zu ersetzen. Die Einvernehmensvergabe ist ein justiziabler Akt, und wir müssen die rechtlichen Regeln einhalten.

Sie haben einen noch anderen ungelösten Konflikt mit der Freien und Hansestadt Hamburg von Ihrem Vorgänger Hans-Heinrich Sander geerbt: Warum gibt es noch kein Verwaltungsabkommen der Länder über die Förderung von Trinkwasser in der Lüneburger Heide?

Birkner:

In dieser Frage sind wir eigentlich gute Wege gegangen. Es existiert ein Entwurf von niedersächsischer Seite, der auch auf Fachebene mit Hamburg abgestimmt ist. Es hatte da ein wenig zu dem Zeitpunkt des Regierungswechsels in Hamburg gehakt. Die nach Forderungen des Landkreises Harburg jetzt zugesagte Einbeziehung des Wasserwerks Schierhorn kann ich nur begrüßen. Im Wasserrechtsverfahren sollten die Auswirkungen sämtlicher Entnahmen in der Nordheide beurteilt werden. Was die Höhe des Bedarfs Hamburgs angeht, gibt es noch unterschiedliche Auffassungen zur Methodik der Bedarfsermittlung. Ich bin guter Dinge, dass diese ausgeräumt werden können. Mit der Verwaltungsvereinbarung will sich Hamburg auch bereit erklären, auf Sicherheitszuschläge zu verzichten und nur die tatsächlich benötigten Mengen zu fördern.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Heiner Schönecke und die CDU-Fraktion im betroffenen Landkreis Harburg schlagen einen Generalplan Heidewasser vor, eine Art Vorsorgefonds, um mögliche schädliche Auswirkungen der Trinkwasserförderung beseitigen zu können. Unterstützen Sie das?

Birkner:

Grundsätzlich stehe ich dem aufgeschlossen gegenüber. Heiner Schönecke stößt mit seinem Vorschlag eine politische Diskussion an, wie es mit der Wasserwirtschaft in der Heide weitergehen soll. So ein Generalplan könnte aufzeigen, wie man lang- und mittelfristig eine solide Wasserwirtschaft auch unter Naturschutzaspekten gewährleisten kann. Das ist schon eine wichtige Diskussion. Ich fände es wichtig, auch Lüneburg mit einzubeziehen. Über Details müsste man dann noch mit Hamburg sprechen.

Heiner Schönecke hat vorgeschlagen, der Fonds solle jährlich ein bis zwei Millionen Euro umfassen. Einen großen Teil des Geldes müsste wohl Hamburg aufbringen. Ist das eine Summe, die Sie sich auch vorstellen können?

Birkner:

Dazu möchte ich mich nicht äußern, weil das die Region und Hamburg in Gesprächen bilateral erörtern müssten. Dass so eine Summe aus der Region in die Diskussion gebracht wird, ist verständlich.

Wir als Landesregierung sollten den Prozess nicht zusätzlich erschweren, in dem wir eine bestimmte Summe fordern. Prinzipiell finde ich die Idee eines solchen Fonds aber richtig.

Der Grundgedanke eines Fonds ist im Übrigen bereits im Text der Verwaltungsvereinbarung der Länder berücksichtigt.