Vater handelte bei Entführung der Kinder ohne jede Störung. Gutachter erkennt keine Psychose

Lüneburg. Axel H. ist voll schuldfähig. Der Vater, der Ostern 2011 seine vier Kinder für mehrere Monate nach Ägypten und in den Sudan entführt hat, handelte ohne jede Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit. Das Resümee des psychiatrischen Gutachters lautet: Die Voraussetzungen für Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuld sind nicht gegeben. Damit wartet auf den 38-Jährigen eine bis zu fünfjährige Gefängnisstrafe.

Es ist der dritte Prozesstag, an dem der Psychiater Dr. Reiner Friedrich sein Gutachten über den Angeklagten vor dem Landgericht Lüneburg vorstellt. Die Familie hatte eine religiöse Wahnerkrankung vermutet, Axel H. selbst bezeichnet sich als getreu nach der Bibel lebender Christ. Entführt hatte er seine Kinder, weil sie nicht von der Mutter erzogen werden sollten, die seiner Ansicht nach als Ehebrecherin in Sünde lebe.

Zwar trage Axel H. Elemente einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, so Dr. Friedrich: Zwanghaftigkeit, Beharren auf ein tatsächliches oder vermeintliches Recht, stark erhöhtes Selbstwertgefühl. Doch eine psychische Erkrankung, wie sie für verminderte Schuld oder Schulunfähigkeit vorliegen müsste, hat der Lüneburger Psychiater nicht festgestellt. Auch seien seine Ansichten zwar als sehr rigide, fanatisch und engstirnig zu bezeichnen, aber nicht als völlig realitätsfremd, also wahnhaft.

Eine Vermutung, wie es bei dem Vater von vier Kindern, einem ausgebildeten Krankenpfleger, wohnhaft in Hermannsburg bei Celle, zu einer Haltung kommen konnte, die H. vor Gericht so selbstbewusst und arrogant auftreten lässt, und die ihn zu der Annahme geführt hatte, er könne mit Gottes Recht und Einverständnis seine Kinder ohne Kenntnis der sorgeberechtigten Mutter nach Ägypten zu verschleppen, äußerte der Psychiater ebenfalls: Der heute 38-Jährige müsse schon länger Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen gehabt haben.

Einschneidende Erlebnisse wie zum Beispiel ein von ihm verursachter Autounfall, bei dem ein Kind leicht verletzt wurde, oder die bei seiner einstigen Arbeitsstelle verbreitete Unterstellung, er habe einen Patienten auf dem Gewissen, hätten sein Selbstwertgefühl erschüttert. Um die Gefahr einer Wiederholung zu bannen, habe er aufs Autofahren völlig verzichtet, auf die Ausübung seines erlernten Berufs ebenso. Und: Er hat den Versuch unternommen, diese Entscheidungen ideologisch zu untermauern, sagt der Psychiater. In der Religion habe er für sich dann Deutungshoheit beansprucht. Und dadurch sein Selbstwertgefühl gestärkt.

Das im Übrigen in einem Maße, ihn vor Gericht zunehmend ungeduldig werden zu lassen - und Aussagen von Psychiater oder Zeugen "richtig stellen" zu wollen, sobald sie getroffen werden. Was der Vorsitzende Richter seinerseits mit Bibelzitaten zu unterbinden weiß: Der Mensch solle schnell sein zu hören, aber langsam zu reden, heiße es doch bei Jakobus, so der Richter.

Das Urteil gegen Axel H. wird am Donnerstag, 9. Februar, gesprochen. Die Verhandlung beginnt um 9.30 Uhr.