Tausche Fensterputzen gegen Kuchenbacken oder Sprachunterricht gegen Einkaufen. Die Harburger Tauschringbörse besteht seit 15 Jahren.

Harburg. Wohnung renovieren und im Gegenzug Hilfe bei der Gartenarbeit erhalten. Die türkische Sprache lernen und dafür vom Fahrdienst zum Einkaufen profitieren: Talente erwünscht heißt es nunmehr seit etwa fünfzehn Jahren bei der Harburger Tauschbörse. Und die Begeisterung für diese Einrichtung, die den Mitstreitern viele wertvolle soziale Kontakte vermittelt, ist ungebrochen. "Wir haben etwa 60 Teilnehmer", sagt Tauschring-Mitglied Bärbel Schröder. Heute ist sie ins Treffpunkthaus an der Friedrich-Naumann-Straße gekommen, weil sie Hilfe bei Renovierungsarbeiten benötigt, "außerdem freue ich mich darauf, mit den anderen zu klönen und Kaffee zu trinken", sagt die Rentnerin.

Jeweils jeden ersten Sonnabend im Monat kommen die Tauschring-Mitglieder im Treffpunkthaus zusammen.

Das Prinzip der Tauschring-Börse ist einfach. "Wer beispielsweise für die Zusammenkünfte Kuchen backt und dafür üblicherweise 60 Minuten benötigt, bekommt diese Tätigkeit im Minutentakt in der Einheit Talente vergütet. 60 Talente werden meinem Konto gutgeschrieben. Dafür kann ich dann die Angebote anderer in Anspruch nehmen, etwa Fensterputzen", erklärt Anne Bornholdt, die für Büro- und Verwaltungstätigkeiten zuständig ist. Man könne aber auch ins Minus gehen und dann "ganz viel arbeiten, um wieder ein ausgeglichenes Konto zu erhalten", so Bornholdt. Vor einiger Zeit habe sie erfahren, wie wichtig dieses soziale Netzwerk ist. "Ich hatte einen Unfall, und ein Mitglied hat mich zu den Arztbesuchen gefahren. Das war Spitze." Im Austausch bietet die Sozialarbeiterin nicht nur Hilfe beim Ausfüllen von amtlichen Formularen, sondern auch Türkischunterricht, Kuchen und selbst eingekochte Marmeladen an. "Man kann wirklich alles Mögliche tauschen."

Ein Blick ins Programmheft des Tauschrings bestätigt ihre Einschätzung. Da wirbt Bettina für vertrauliche Beratung bei Trennung und Scheidung, Ulrike gibt Blockflötenunterricht und André hilft beim Umzug, außerdem betreut Ingrid Kinder und Heike kocht, wenn jemand dazu keine Zeit hat. Andere kümmern sich um Hunde- und Katzensitting. Auch ungewöhnliche Dienstleistungen stehen in der kleinen Broschüre, wie etwa das Angebot von Peter: "Tattoos aller Art für besondere Anlässe." Und wer für Geburtstagsfeiern Besteck für zwölf Personen und ein Fondue-Set benötigt, kann sich die Küchenutensilien von Katrin und Angelika ausleihen.

Unterhaltung und Gesellschaft für Harburger, die unter Einsamkeit leiden, sind ebenfalls wichtig. So begleitet Beate Tauschringmitstreiter ins Kino und auf Spaziergängen, und Rüdiger kommt zum Spieleabend mit Scrabble, Schach und Rommé. Mitmenschlichkeit steht bei der Börse im Treffpunkthaus im Mittelpunkt.

Gibt es auch "schwarze Schafe", die einfach Hilfe in Anspruch nehmen und sich dann einfach nicht mehr melden? "Das hatten wir auch schon, ist aber glücklicherweise die Ausnahme", sagt Sonja Alphonso, die bei der Gartenarbeit oder beim Fensterputzen anpackt, im Gegenzug einige Näharbeiten erledigen lässt.

Künftig will der Tauschring eine Art Grundeinkommen einführen. "Jeder Teilnehmer erhält monatlich zum Beispiel zwei Stunden auf sein Konto gutgeschrieben. Bei 50 Teilnehmern würden also 100 Stunden in den Talente-Kreislauf gehen", erklärt Anne Bornholdt. Diesem Plus stehe kein Versprechen auf Gegenleistung gegenüber. Aus dem Tauschring wird damit ein Schenkring.

Ursprünglich wurde die Tauschringbörse 1996 als Projekt des Frauenkulturhauses gegründet. Die Einrichtung kooperiert mit der Lokalen Agenda 21, der Bücherhalle Harburg, dem Treffpunkthaus sowie der St.-Paulus-Gemeinde. Mitmenschlichkeit steht im Fokus. So gibt es für Teilnehmer in prekären Lebenssituationen ein Solidaritätskonto.

Wer den Tauschring kennen lernen möchte, sollte sich Sonnabend, 3. März, ab 15 Uhr beim Treffpunkthaus an der Friedrich-Naumann-Straße einfinden. Dort wird ein Vortrag gehalten, der neue Mitglieder ins System einführt.