Immer mehr Menschen, vor allem junge Familien, ziehen von Hamburg in den Landkreis Harburg. Das Paar Peeck/Zagarti ist eine von ihnen.

Fleestedt. Diese Ruhe! Und dieses Licht! Stephanie Peeck streckt die Beine unter dem Tisch aus und lehnt sich zurück. "Wir sagen immer, das hier ist unser Wohlfühlhaus." 150 Quadratmeter, die ihr immer noch ein wenig wie eine Ferienwohnung vorkommen, kann die 31-Jährige seit November vergangenen Jahres als ihre neue Heimat bezeichnen. Gemeinsam mit ihrem Lebengefährten Yones Zagarti und den zwei kleinen Kindern Lina und Lunis hat die Juristin die alte, im dritten Stock gelegene Dreizimmerwohnung am Eidelstedter Platz in Hamburg gegen das Häuschen im Grünen am Schlesierweg in Fleestedt ausgetauscht. Keine schlechte Wahl, wie sie immer noch findet.

Mit dem Entschluss, der Hansestadt den Rücken zu kehren, um südlich der Elbe ein neues Leben aufzubauen, ist das Paar Peeck/Zagarti nicht allein. Im Jahr 2010 sind 4350 Hamburger in den Landkreis Harburg gezogen, während den umgekehrten Weg, also vom Landkreis hinein nach Hamburg, nur 3012 Menschen beschritten haben. Macht eine Positiv-Bilanz zugunsten des Landkreises in Höhe von 1338.

Dass es die nicht erst seit gestern gibt, belegen die Zahlen des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen mit den Wanderungsbewegungen zwischen Hamburg und dem Landkreis Harburg. 2009 zogen 4467 Hamburger in den Landkreis Harburg, aber nur 3188 Harburger in die Hansestadt, im Jahr 2008 waren es 4186 Zuzügler in den Landkreis und 3079, die ihren Wohnsitz von hier nach Hamburg verlagerten. Und im Jahr 2007 standen 4077 Neu-Harburgern 2818 Fortzügler entgegen. Die mit Abstand größte Gruppe der Neuzugänge machen die 30- bis 50-Jährigen aus, allein im Jahr 2010 zogen 1686 Hamburger dieser Altersklasse hinaus ins Grüne.

Auch wenn jeder von ihnen seine eigenen Gründe hatte, so dürften gerade bei jungen Familien die hohen Mieten, die vielen Autos und die Gefahr für die Kinder den Ausschlag geben, die Großstadt zu verlassen. Manchmal können es aber auch so banale Dinge wie Wasserkisten sein. "Es war eine Katastrophe, die ständig in den dritten Stock zu schleppen", sagt Yones Zagarti und schaut dabei entspannt in den Vorgarten hinaus, wo jetzt sein Auto parkt. Nur eine Handvoll Stufen führen von der Haustür hinunter, ruckzuck ist er am Kofferraum. "Sogar Lina war von der Treppensteigerei genervt", erinnert sich Stephanie Peeck. Die Fünfjährige habe sich einmal hingestellt und den für ihr Alter unglaublich überlegten Satz gesagt: "Ich wünschte, wir würden nicht im dritten Stock wohnen." Da konnte sich die Mutter ein Lachen nicht verkneifen.

Natürlich waren es aber nicht nur die Treppenstufen, sondern die Gesamtsituation, die dem jungen Paar schnell klar machte, dass ein neues Zuhause her muss. "Im Grunde war unsere Wohnung am Eidelstedter Platz ein letztes Experiment, ob wir in der Innenstadt leben können", sagt Stephanie Peeck, die in der Klosterallee nahe des Isebekkanals und am Weiher in Eimsbüttel aufgewachsen ist. Gemeinsam mit ihrem Freund, der bei einer Wilhelmsburger Firma im Logistikbereich arbeitet, hatte sie zuvor knapp sieben Jahre in Harburg gelebt, als ihr klar wurde, wie sehr ihr die alte Heimat nördlich der Elbe fehlte. "Meine Mutter wohnt bei Hagenbecks Tierpark, und da wollte ich gerne in der Nähe sein." Auch wegen der Betreuung von Töchterchen Lina erschien ihr das als gute Wahl.

Doch als sie dann mit Lunis schwanger war, musste sie sich eingestehen: Es geht einfach nicht. Die riesige Straßenkreuzung direkt vor der Haustür, die vielen Autos, die ständige Parkplatzsuche bei kleinen Besorgungen, die hohen Mietkosten - all das waren Gründe, die Wohnung schließlich aufzugeben. Blieb nur die Frage, wohin es jetzt gehen soll. "Wir haben gesagt, wenn wir umziehen, dann nach Seevetal", erzählt sie. Schleswig-Holstein wäre zwar für sie selbst auch in Ordnung gewesen, denn ihre Arbeitsstelle liegt am Jungfernstieg äußerst zentral. Doch wegen der großen Entfernung zur Arbeit ihres Lebensgefährten kam der Norden nicht infrage.

Also konzentrierte sich die Suche auf die Orte Maschen, Over, Fleestedt oder Meckelfeld - vor allem wegen der guten Anbindung zum Harburger Bahnhof. Nach Harburg selbst zog es die junge Familie hingegen so gar nicht. "Wir wollten es gerne etwas behüteter und netter haben", drückt es die Mutter diplomatisch aus. Drei Angebote kamen schließlich schon nach kurzer Zeit in die engere Wahl, eine Doppelhaushälfte in Meckelfeld, ein Haus in Neuland und das Haus in Fleestedt. Letzteres war das erste, das sich das Paar ansah. Und sofort war klar, dass sie es haben wollten. "Preislich waren die Häuser fast alle gleich", sagt Yones Zagarti. Aber das Fleestedter war das einzige, das freistehend war.

1200 Euro Kaltmiete zahlen sie nun für ihr Wohlfühlhaus mit Garten. "Meine Schwester in Hoheluft zahlt fast das gleiche für ihre Wohnung", berichtet Stephanie Peeck. Langfristig würden sie auch gerne kaufen oder neu bauen, ergänzt ihr Lebensgefährte. Aber derzeit sei das nicht aktuell. Wichtig sei erst einmal, dass Lina in der Vorschulgruppe Kontakt zu anderen Kindern knüpft, die ebenfalls im kommenden Schuljahr eingeschult werden. Eine beste Freundin hat sie bereits: Nell Franz, die nur ein paar Straßen weiter wohnt.

"Es passt einfach alles", bringt es Yones Zagarti auf den Punkt. "Wir sind hier wirklich angekommen." Der örtliche Supermarkt mit Parkplatz ist schnell zu erreichen, Linas Kindergarten am Kiefernweg ist gleich um die Ecke, der Wald für Spaziergänge keine hundert Meter entfernt und die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt ging ohne Nummernziehen und lange Wartezeiten, wie sie es aus Hamburg kennen. Sogar ihre Jacken könnten die Kinder im Kindergarten einfach so auf dem Flur hängen lassen. "Ich hatte erst Angst, dass die geklaut werden", sagt Stephanie Peeck. Aber diese Sorge war unbegründet.