Initiative “Gedenken in Süderelbe“ lud zu Rundgang und Diskussion mit Verfassungsschützer

Neugraben. "Wir gedenken der Frauen aus dem KZ-Außenlager Neugraben und der wenigen mutigen Menschen, die ihnen geholfen haben." Mit diesen Worten begann Pastorin Bettina von Thun von der Michaelisgemeinde in Neugraben ihre Rede an der Gedenktafel vor dem Bürgeramt Neugraben.

Etwa dreißig Neugrabener hatten sich auf Einladung der Initiative "Gedenken in Süderelbe" dort eingefunden, um am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, der immer am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (27. Januar 1945) begangen wird, Blumen niederzulegen.

Hinter ihnen lag an diesem Vormittag schon eine Stunde Weges zu drei Stationen im Neugrabener Zentrum. Die Frauen des Lagers mussten dort selbst im Winter in leichten Sommeroveralls arbeiten, ohne Essen und Wasser. Von einigen Neugrabenern aber erfuhren sie Hilfe: einen Teller Suppe, Kleidung, Wolle, Kartoffeln, dicken süßen Brei, Schuhe für die erfrorenen Füße, gute Worte. Die Teilnehmer des Rundganges hörten an allen Stationen Texte aus dem Leben der Frauen. Eine Gefangene, Helena B. schrieb: "Einen Lichtpunkt während meiner zweieinhalbjährigen Konzentration der Nazi-Deutschen will ich hinzufügen, was lebenswichtig für uns war in der irdischen Hölle der SS Zeit: im November - Dezember bis anfangs Jänner - bis wir nach Tiefstack gingen - hatten wir einen Polier, Hermann Rose, Harburg, als Aufsichtsperson, der unter größter Gefahr für ihn uns im Regen in die Bude schickte und nur, wenn er von der Ferne einen SS sah, zu uns sagte "schnell an die Arbeit!" Sehr oft morgens brachte er uns warmen Kaffee und manchmal auch etwas Brot. Er hatte ja auch nur seine Zuteilung. Ich versprach ihm: Falls ich vielleicht doch überlebe diese Hölle, so werde ich ihn zu uns einladen. Vom ersten Geld der Wiedergutmachung kaufte ich bei der Zim-Schiffsgesellschaft ein Billet für beide Reisen: hin und zurück und sandte es ihm ein. Er war bei uns in Israel drei Monate..."

Dem morgendlichen Rundgang schloss sich eine Abendveranstaltung im Gemeindehaus der Michaeliskirche an. Zum Thema "Wehrhafte Demokratie. Was können wir als Bürgerinnen und Bürger gegen die Gefahr von Rechts tun?" hatte die Initiative zu Vortrag und Gespräch mit Dr. Manfred Murck, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hamburg, eingeladen. Aus den geplanten zwei Stunden wurden drei. Murck erläuterte die Entstehungsgeschichte des Verfassungsschutzes seit Gründung der Bundesrepublik und seine verfassungsmäßige Basis. Sie beruht auf dem Prinzip der wehrhaften Demokratie, des Grundgesetzes und dem Prinzip, dass die Liberalität der Verfassung und des Staates nicht von innen heraus ausgehöhlt werden darf.

Mit Bedauern diskutierten die Teilnehmer die Tatsache, dass rechtsradikales Gedankengut auch heute noch vorhanden ist. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung werden dieser Gesinnung zugerechnet. Murck: "Die Gedanken und Köpfe waren ja nicht weg." Die Hoffnung darauf wurde 1964 mit der Gründung der NPD zerschlagen, die zuerst sogar nennenswerte Wahlerfolge hatte. Murck: "Die Leugnung des Holocaust steht unter Strafe. Aber das Versammlungsrecht erlaubt das Aufmarschieren. Das nutzen Rechtsradikale für sich aus." Und: Heute macht das Internet klassische Strukturen überflüssig.