Seltenes Lokomobil von 1918 wird in die Ausstellungswelt Agrarium geschafft

Ehestorf. Mit Kohle befeuert lief das stählerne Ungetüm vor 90 Jahren über den Acker - jetzt hat der 1918 gebaute Dampfflug der englischen Firma Fowler seine wahrscheinlich letzte Fahrt gemacht: Ehrenamtliche Mitarbeiter des Freilichtmuseums am Kiekeberg haben gestern die Lokomobil genannte Maschine mit einem Traktor vom Museumsgelände in die künftige Ausstellungswelt Agrarium in Ehestorf geschafft. Mit 90 Tonnen Gewicht wird das Dampfross das schwerste Ausstellungsstück der Erlebniswelt für Landwirtschaft und Ernährung sein.

Nur noch etwa 20 dieser altertümlichen Landmaschinen soll es in Deutschland noch geben, sagt Hans-Joachim Schmidt. Er hat ein Buch über das Dampfpflügen geschrieben und organisiert regelmäßig die Dampf- und Traktorentreffen am Freilichtmuseum. Vergleichbar gut erhaltene Acker-Lokomotiven besitze nur noch das Deutsche Landwirtschaftsmuseum in Stuttgart-Hohenheim.

Vor 20 Jahren hat das Freilichtmuseum den Dampfpflug aus England beschafft. Dass die Maschine theoretisch wieder in Betrieb gehen könnte, verdankt das Museum dem Landmaschinenmechanikermeister und Metallrestaurator Eckhard Eichhorn. Einige defekte Rauchrohre müssten ausgetauscht und der Wasserdruck geprüft werden, sagt er, dann könnte das Dampfross wieder starten. Die Maschine ist ein ökologischer Sündenpfuhl: 2000 Kilo Kohle pro Tag verbraucht sie, dazu 600 Liter Wasser am Tag.

Der Dampfpflug steht für die Ära, als die Industrialisierung Einzug in die Landwirtschaft erhielt. Etwa 100 Jahre lang, von 1850 bis in die 1950er-Jahre, kamen Dampfmaschinen beim Pflügen zum Einsatz.

Nur wohlhabende Gutsbesitzer und Genossenschaften konnten sich die dampfbetriebenen Kraftmaschinen leisten. Sie kamen vor allem auf den großen landwirtschaftlichen Gütern im Osten Deutschlands zum Einsatz, aber auch in der Lüneburger Heide auf dem Gut Lopau des Industriellen Richard Toepfer. Beim Dampfpflügen steht an jeden Ende des Feldes in etwa 500 Meter Abstand ein dampfbetriebenes Lokomobil mit 175 PS oder mehr. Von den Maschinen wird an einem Stahlseil ein Kipp-Pflug hin- und hergezogen. So wurden einst an einem Tag bis zu 14 Hektar Ackerboden umgepflügt. Weil ständig Wasser und Kohle herbeigeschafft werden mussten, waren beim Dampfpflügen 20 Menschen beschäftigt. Das Science Center Agrarium am Freilichtmuseum am Kiekeberg wird am 5. Mai eröffnet.

Die Ausstellungswelt zeigt nicht nur die urige Dampflokomotive, sondern veranschaulicht das Dampfpflügen mit Hilfe eines Modells.