Wie dem Konfliktpotenzial zwischen Eltern und Lehrern begegnet werden kann. Je höher die Klassenstufe, desto größer die Zahl der Beschwerden

Harburg. Eigentlich sollte es eine Bildungspartnerschaft sein. Auf der einen Seite die engagierten Eltern, auf der anderen die Schule als Institution für Bildung. Doch von einem Hand in Hand ist oft leider wenig zu spüren. Bei vielen Eltern geht die Angst um. Die Anforderungen an ihre Kinder sind heute viel höher als noch in der eigenen Jugend. Mit einem Hauptschulabschluss wird Lehrstellensuche schnell zur Odyssee. Ein guter Realschulabschluss oder das Abitur müssen also her.

Entsprechend hart kämpfen Eltern um eine möglichst reibungslose Bildungskarriere der Sprösslinge. Und begeben sich dafür auf die Suche nach der richtigen Schule, den passenden Lehrern, dem besten Unterricht. Die Wünsche und Erwartungen an das Schulsystem sind entsprechend hoch. Vielleicht genauso groß wie das Misstrauen.

"Wir haben in der Schule ein hohes Potenzial für Konflikte. Allein schon, weil es sich um die größte staatliche Dienstleistungseinrichtung handelt", sagt die Landesvorsitzende des Verbands für Bildung und Erziehung (VBE) Gitta Franke-Zöllmer. "Die gestiegenen Erwartungen haben die Situation sicherlich nicht entschärft. Das merkt man vor allem daran, dass bei höheren Klassenstufen auch die Zahl der Beschwerden zunimmt."

Immer häufiger ziehen Eltern sogar vor ein Gericht, um gegen Versetzungsnoten oder gar einen Tadel zu klagen. Besonders wenn es darum geht, auf welche weiterführende Schule das Kind gehen soll, entwickeln sich Mütter schon mal zur viel zitierten Löwin, die ihre Jungen bis aufs Blut verteidigt. Die Lehrer werden in diesem Fall kurzerhand zum Feind erklärt, der willkürlich über das Bildungswohl des Kindes entscheidet und sich damit auch noch in das eigene Familieleben einmischt, im schlimmsten Fall sogar noch Forderungen stellt.

In der Schule wiederum haben die Eltern den Ruf der Überwacher und Übereifrigen, die mit der Erziehung ihrer kleinen Prinzessinnen und Prinzen leicht überfordert sind. Spricht man mit Pädagogen, so haben Elternabende inzwischen den Charakter von Worst-Case-Szenarien. Doch steht es wirklich so schlimm um das Verhältnis von Lehrern und Eltern?

Die Antwort lautet Nein. Für Experten ist das Kind noch längst nicht in den Brunnen gefallen. "Eigentlich sind viele Konflikte vermeidbar", ist sich Pascal Zimmer, Vorsitzender des Landeselternrats, sicher. "Die Kommunikation zwischen beiden Seiten findet leider häufig viel zu spät statt. Es geht immer noch viel zu wenig Hand in Hand zwischen Lehrern und Eltern." So könne es nicht sein, dass Eltern nicht an Telefonnummern von Lehrern kommen.

Eine Einschätzung, die auch Lehrervertreterin Gitta Franke-Zöllmer teilt. "Der gesellschaftliche Druck auf die Eltern ist immens gestiegen, das Thema Bildung verständlicherweise hoch emotional. Gerade deshalb geht es nur miteinander." Überhaupt habe es eine gewisse Unzufriedenheit mit der Schule und den Lehrern immer gegeben, "früher nahmen die Eltern das Pädagogenurteil nur als gottgegeben hin".

Heute hat sich das gewandelt. Die Schule wird wie jede andere staatliche Dienstleistungsinstitution gesehen und entsprechend behandelt. "Der Respekt vor der Schule ist genauso gesunken, wie der Respekt vor dem Finanzamt. Wenn uns etwas nicht passt, beschweren wir uns", erklärt Gitta Franke-Zöllmer. Das sei nicht mal negativ, solange es auf konstruktive Weise geschehe.

Auf einen konstruktiven Austausch setzt entsprechend auch die Konfliktbewältigung der Verbände und Wissenschaft. Prof. Dr. Kurt Czerwenka von der Leuphana Universität in Lüneburg bildet seit Jahren Lehrer im richtigen Umgang mit Konflikten aus. Sein Rat: "Der Austausch zwischen Eltern und Lehrern braucht einen richtigen Rahmen und ritualisierte Formen. Abendliche situativ-gereizte und emotional aufgeladene Gespräche am Telefon verhärten nur die Fronten." Auf der anderen Seite sollten sich Lehrern nicht nur mit Negativbotschaften melden, sondern auch positive Entwicklungen an die Eltern weitergeben.

Auch der VBE sieht in der Aufstellung von Regeln einen Lösungsansatz für die Konflikte. In vielen Klassenzimmern hängen solche Benimmgebote für den richtigen Umgang der Schülerinnen und Schüler miteinander. Ähnliche Vereinbarungen wären indes auch für die Eltern und Lehrer denkbar. "Gerade junge Kollegen sind sehr unsicher, wie sie mit aufgebrachten Eltern am Telefon umgehen sollen und welche Konfliktmanagementstrategien greifen könnten. Mit gemeinsam aufgestellten Verhaltensregeln und einem zusätzlichen Fortbildungsprogramm für beide Seiten könnte man hier viel Spannung abbauen", so Gitta Franke-Zöllmer.

Solche gemeinsamen Absprachen müssten von beiden Seiten in einem offenen Dialog getroffen werden und neben Regeln auch mögliche Sanktionen enthalten. Wichtig seien zudem die Festlegung regelmäßiger Elterngespräche, ein Meldesystem zum Leistungsstand der Schüler und Infos übermögliche Veränderungen im Umfeld der Kinder. "Extreme Situation wie ein Scheidung oder eine schwere Krankheit im Familienumfeld müssen einfach der Schule gemeldet werden. Dann können sich die Lehrer entsprechend darauf einstellen", fordert Pascal Zimmer.

Die in Niedersachsen eingeführten Schulvorstände und -programme sind dafür aus Sicht der Lehrer- und Elternvertretern mögliche Anknüpfungspunkte. "Die Einrichtung des Schulvorstands ist definitiv der richtige Weg, um das Klima zu entschärfen. Für sinnvoll würde ich aber auch noch eine neutrale Konfliktberatung für alle Schulbezirke halten.", sagt Zimmer. So könnte sich vieles spürbar verbessern.

Entsprechend fallen auch die langfristigen Empfehlungen an die Eltern der neuen Erstklässler aus. "Probleme müssen konstruktiv angesprochen werden. Immerhin steckt in jeder Beschwerde ja auch das Potenzial zur Verbesserung", so Zimmer. Ansonsten könne er jedem Elternteil nur raten, sich mit dem Schulprogramm auseinanderzusetzen und sich von Anfang selbst in der Schule zu engagieren.