Politiker aus Mitte und Finkenwerder halten eine Sitzung auf der Hamburger Insel Neuwerk ab

Neuwerk/Finkenwerder. Es wird ein ganz langer Tag werden für die Feierabendpolitiker aus Finkenwerder und Hamburg-Mitte, fünfzehneinhalb Stunden wird er dauern. Die Frauen und Männer werden 240 Kilometer mit dem Bus zurücklegen, fast zwei Stunden Fähre fahren und dann noch einmal eine gute Stunde mit der Kutsche durchs Watt. Und das alles für eine 95 Minuten lange Sitzung des Regionalausschusses Finkenwerder und des Hauptausschusses der Bezirksversammlung Mitte. Denn die Sitzung findet im "Hus achtern Diek" statt, gleich hinterm Deich auf der Hamburger Insel Neuwerk.

Die Insel liegt in der Elbmündung, im südöstlichen Teil der Nordsee, und ist mit 33 festen Einwohnern der kleinste Stadtteil des Bezirks Mitte. Und weil die Bezirksversammlung Mitte und der Regionalausschuss Finkenwerder für das 3,5 Quadratkilometer große Eiland politisch zuständig sind, gehen an diesem Montag 23 Feierabendpolitiker samt einer Ehefrau, vier Beamte, ein Mitarbeiter der Stadtreinigung und ein Cocker-Mischling auf große Fahrt - das erste Mal seit 2002. Das Protokoll eines Tages.

8.05 Uhr, Bezirksamt am Klosterwall, Block D. Der Bus sollte jetzt schon seit fünf Minuten unterwegs sein, aber einer fehlt: Der Sozialdemokrat Klaus Lübke, Veddel. Eine Genossin weckt den Wirtschaftsberater.

8.45 Uhr Neun Finkenwerder Politiker und Klaus Lübke steigen am Marktplatz Finkenwerder zu. Auf geht's durchs Alte Land zur Bundesstraße 73, immer der Elbmündung entgegen.

9.15 Uhr Norman Cordes und Gerd Schustermann vom Bezirksamt Mitte verteilen in Papiertüten Salami-Baguettes, Bio-Pfirsich-Maracuja-Limonade und Knusperreiskerne mit Schokoladenüberzug aus dem Coffee-Shop.

10.40 Uhr Der Norderstedter Busfahrer fährt kurz vor Cuxhaven auf die Autobahn A 27 Richtung Bremerhaven. Nach zwei Ausfahrten dreht er um und flucht: "Mein Aldi-Navi ist ganz neu!" Nur dank eines Anrufes von Gerd Schustermann bei der Reederei Cassen Eils wartet die MS Flipper noch 18 Minuten auf die Hamburger Runde. "Wäre eine schöne Überschrift gewesen: 'Hamburger Politiker verpassen Sitzung'", scherzt ein Mitfahrer.

11.18 Uhr bis 12.55 Uhr: Überfahrt. Politiker aller Couleur beteuern, "dass es gute Tradition ist, einmal pro Wahlperiode nach Neuwerk zu fahren" (Gunter Böttcher, CDU); "dass wir dazu stehen, dass Neuwerk zu Hamburg gehört" (Dirk Sielmann, SPD), "dass es wichtig ist, dass man Interesse aneinander hat" (Michael Osterburg, GAL) und "dass dies kein Betriebsausflug ist" (Bernhard Stietz-Leibnitz, Die Linke, und Heinrich Otto Patzer, FDP).

13.30 Uhr bis 14.40 Uhr: Mittagessen im "Hus achtern Diek". Das Essen ist gut, die Portionen sind reichlich.

14.45 bis 16.20 Uhr: Sitzung der beiden Ausschüsse in der Essstube. Mit dabei sind sechs Neuwerker, Insel-Lehrerin Meike Müller-Toledo und Inselobmann Volker Griebel. Hans Gelien (CDU) aus Finkenwerder sagt, "jeder Inselbewohner kann seine Sorgen und Nöte vortragen". Und das sind die "Sorgen und Nöte", die an die Hamburger Politiker gerichtet werden: Die Zukunft des Wattwagenplatzes auf dem Festland in Sahlenburg soll gesichert und der Platz gepflastert werden; die Versorgung in harten Wintern soll durch Hubschrauber sichergestellt werden, 500 Meter Straße sollen regelmäßig von Pferdekot gereinigt werden; "Dog Stations" (Tütenspender für Hundekot) sollen errichtet und der Preis für die Entsorgung von Restaurantabfällen überprüft werden. Die Politiker sagen die Überprüfung von "Zuständigkeiten" zu und wollen für 850 Euro "Dog Stations" errichten lassen - dafür gibt es sechs Tütenspender vom "Typ 3" samt Standfuß.

16.20 Uhr bis 19.00 Uhr: Zeit zum Spazieren und Abendbrot in drei Lokalitäten.

19.15 Uhr bis 20.30 Uhr: Fahrt in Wattwagen aufs Festland nach Sahlenburg, es weht ein kalter Wind.

20.42 Uhr: Der Sozialdemokrat Klaus Lübke lädt ein Bild von der Wattwagenfahrt auf facebook und bekommt zwei SMS. In einer heißt es, "was für einen tollen Beruf ich habe, dass ich so schöne Ausflüge machen kann".

20.45 Uhr bis 23.20 Uhr Fahrt zum Bezirksamt Hamburg-Mitte mit Zwischenstopp in Finkenwerder - der Busfahrer verfährt sich trotz Navis noch zweimal.

Bilanz der Tour: Der Tag war lang. Die Freizeitpolitiker haben in ihrer Freizeit für Geist und Seele erbauliche Stunden erlebt. Sie verzichten auf ihr Sitzungsgeld von 21 Euro. Essen und Getränke zahlt der Steuerzahler - auch die Busfahrt (550 Euro), Fähre (465 Euro) und die Wattwagenfahrt (475 Euro). "Die Neuwerker haben mal wieder viel gefordert", sagt ein Mitte-Politiker. Konkret bekommen sie jetzt sechs neue Tütenspender für Hundekot für 850 Euro.