Mit einem ohrenbetäubenden Knall flog die Telefonzelle an der Jägerstraße in die Luft.

Harburg. Drei Jugendliche hatten in der Silvesternacht einen selbst gebastelten Böller mit der Sprengkraft einer Handgranate in der Zelle gezündet. Die Splitter flogen bis zu 15 Meter weit und trafen ein vorbeifahrendes Auto. Niemand wurde bei der Explosion verletzt, am Auto entstanden nur Kratzer.

Jetzt wurde gegen Leon S., 18, Clemens P., 19 und Christian H., 18, vor dem Harburger Jugendgericht verhandelt. Die Staatsanwältin warf ihnen Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und Sachbeschädigung vor.

Auf der Anklagebank saßen keine Chaoten, sondern brave nette Jungs aus ordentlichen Familien. Die Eltern saßen im Zuhörraum und verfolgten die Verhandlung mit besorgten Mienen. Zwei ihrer Söhne stehen in der Abiturprüfung, der dritte hat gerade sein Studium begonnen. "Ich weiß selbst nicht, was mich da geritten hat", sagte dann auch Leon S., der den Monster-Böller gebastelt hatte. Vorher hatten er und seine Freunde mit einem ähnlichen Böller einen massiven Beton-Poller in einer Einfahrt zerlegt, bei einem in der Nähe abgestellten Pkw flog eine Seitenscheibe heraus. So ganz ahnungslos kann der Bombenbastler über die Zerstörungskraft seiner Knaller daher kaum gewesen sein. Er hatte sich zunächst auch gegen die Telefonzellen-Sprengung gesträubt, dann aber den Böller auf Drängen der Clique doch herausgerückt. Seine Freunde Clemens P. und Christian H. deponierten die Bombe in der Zelle, steckten die als Zünder angebrachte Wunderkerze an und rannten weg. Sekunden später flogen ihnen die Glas- und Metallsplitter um die Ohren.

Am Gymnasium besucht Leon S. den Chemie-Leistungskursus, das Rezept für den Sprengstoff fand er im Internet: Acetonperoxid, ein hochexplosives Gemisch aus einfach zu beschaffenden Zutaten. Das Zeug fliegt so leicht und so unkontrolliert in die Luft, dass es nicht einmal zu militärischen Zwecken verwendet werden kann. In seinem Zimmer hatte Leon S. noch größere Mengen davon gelagert. Sein Elternhaus wurde für mehrere Stunden evakuiert, vorsorglich rückten Feuerwehr und Rettungswagen an. In einem Erdloch im Garten wurden die gefährlichen Substanzen kontrolliert gesprengt.

Leon S. und seine Mittäter hatten sich selbst der Polizei gestellt, allerdings nicht ganz freiwillig und erst zehn Tage nach der Tat. Freunde hatten ihnen dringend nahe gelegt, sich zu der Sache zu bekennen, um einer Anzeige zuvor zu kommen.

Am Ende hatte das Trio auch vor Gericht noch einmal sehr viel Glück. Die drei kamen mit richterlichen Weisungen und Arbeitsauflagen davon. Leon S. muss bis zum Jahresende eine mindestens 20 Seiten lange Abhandlung über die Gefährlichkeit von Explosivstoffen schreiben und acht gemeinnützige Arbeitsleistungen zu je sieben Stunden erbringen. Seinen beiden Freunden wurden je sechs Arbeitsleistungen zu sieben Stunden auferlegt. "Es hätte auch ganz anders kommen können, Sie können froh sein, dass Sie noch leben und dass Ihre Hände noch dran sind", gab die Richterin den Angeklagten noch mit auf den Weg.