Ich stehe an irgendeiner Bushaltestelle, in irgendeiner Fußgängerzone in Deutschland.

Im Schaufenster hinter mir hängt ein Schild - die drei Farben der heimischen Flagge erweckten meine Aufmerksamkeit: "Deutschland-Strähnchen" kann man da bekommen. Ich stehe vor einem Frisörsalon. Meine Überraschung in dieser Situation soll in den nächsten Tagen noch mehrfach wiederholt und gar überboten werden. Gibt es eigentlich eine Art Produkt, die nicht bei gegebenem (wenn auch zweifelhaftem) Anlass mit den Erkennungsfarben unseres Mutterlandes geprägt werden können?

Während die heute in der Mitte ihres Lebens befindlichen Deutschen nun aber ja erziehungsbegründet tendenziell eher in eine Art peinlich berührten "Ich-sprech-lieber-erst-gar-nicht-drüber"-Schreckstarre geraten, sobald sie mit dem Begriff "Nation" oder "Nationalflagge" konfrontiert werden, so ist es doch erstaunlich: In all diesen Menschlein erwacht, pünktlich zu etwaigen einschlägigen Sportevents, eine verschüttete Leidenschaft.

Da wird die Fahne geschwenkt was das Zeug hält, die schwarz-rot-goldene Tröte geblasen, wilde Slogans gebrüllt und die Deutschland-Blumenkette umgehängt - ja, man ist stolz auf seine Nation, trotz... Ja, trotz alledem eben.

Ich persönlich verharre in der Rolle des verwundert Beobachtenden und möchte gerne leise warnen: Passt auf, was ihr sagt und tut, liebe Mitmenschen - im Eifer des Gefechts entwickeln sich allzu oft ungeahnte und vielleicht auch ungewollte Energien...

Aber ich denke auch: Welch ein Kommerz! Hätte ich die Urheberrechte auf unsere Deutschland-Farben, ich würde umgehend doch noch zum Fußball-Fan.