Ständig müssen Sprengmeister die todbringenden Kriegsrelikte entschärfen

Harburg. Harburg ist ein gefährliches Pflaster. Die Explosion der Fliegerbombe in Göttingen hat gezeigt, welche Gefahr noch von den Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs ausgeht. Dort waren drei Männer des Kampfmittelräumdienstes getötet worden, als sie die Entschärfung einer mit einem besonders brisanten Säurezünder bestückten Bombe vorbereiten wollten. Und vor allem im Raum Harburg werden noch zahlreiche solcher Langzeitzünder-Bomben vermutet.

Wenn die Kampfmittelräumer um Peter Bodes von ihrer Dienststelle in der Feuerwache am Großmoorbogen ausrücken müssen, haben sie es oft nicht weit. Blindgänger werden meistens im südlichen Bereich der Stadt gefunden. Am Mittwoch war es eine 100 Pfund schwere Fliegerbombe, die in Höhe Bubendeyufer in der Elbe lag. Sie war mit einem Zünder bestückt, wie er zur Tragödie in Göttingen führte. "Wir mussten sie vor Ort sprengen", sagt Bodes. "Zum Glück hatten wir 20 Meter Wasser auf der Bombe."

Zwei Tage zuvor hatten die Bombenexperten eine 1000 Pfund schwere Fliegerbombe auf dem Gelände von Thörl & Noblee an der Seehafenstraße entschärft. Am selben Tag musste im Raum Francop eine der zahlreichen Riegelminen gesprengt werden, die dort in den vergangenen Tagen vermehrt gefunden wurden. Der Raum Harburg hat Kampfmittelräumern viel zu bieten. Es gibt kaum eine Waffenart des Zweiten Weltkriegs, die hier nicht im Boden liegt. Gewehrgranaten finden sich in der Haake. Dort sind auch Minen, alle Arten von Munition, Handgranaten oder Panzerfäuste zu finden. Im Raum Wilhelmsburg stießen Kampfmittelräumer auf britische Munition. Sie wurde nach Kriegsende "entsorgt", weil die Soldaten sie nicht mit zurück nach England nehmen wollten.

Dazu liegen Bomben aller Art und Größe im Boden. 107 000 Sprengbomben wurde im Zweiten Weltkrieg bei 242 Luftangriffen abgeworfen. 13 Prozent sind nach Einschätzung von Experten Blindgänger gewesen. Weit mehr als 2000 werden noch im Boden vermutet. Der Süderelberaum ist der Schwerpunkt. Allein bei der Sanierung des ehemaligen Gaswerkgeländes an der Moorburger Straße stießen Kampfmittelräumer auf drei Blindgänger.

Der Boden im Süden Hamburgs ist weich. Deshalb gab es besonders viele Blindgänger, die auch noch ganz besonders tief im Boden stecken. Dazu wurde in dem Gebiet echte Exoten abgeworfen, wie die britische MK I.IV, eine Fernzündmine, die mit 325 Kilogramm TNT gefüllt ist. Sie war im Mai 2004 in Moorburg gefunden worden. Sie sollte in der Süderelbe landen. Ihr magnetischer Zünder sollte auf stählerne Schiffe reagieren, die über sie hinweg fahren. Noch nie wurde bis zum Mai 2004 so eine Mine entschärft, weil es zu gefährlich ist. Bodes und sein damaliger Chef Peter Voß mussten es tun, weil bei einer Sprengung die Bahnlinie gefährdet worden wäre, über die vom Hansaport die Hochöfen in Salzgitter mit Kohle versorgt werden.

Natürlich dürften zahlreiche der Blindgänger noch mit den gefährlichen Säurezündern bestückt sein. Sie gelten als besonders gefährlich. Experten schließen nicht aus, dass sie sogar ohne Einwirkung von außen explodieren könnten. Sie waren bei den Angriffen mit abgeworfen worden und explodierten erst Stunden nach dem Fliegerangriff. So sollten die Menschen in den Kellern gehalten und am Löschen gehindert werden.

"Durch solch einen Zünder sind auch 1993 in Wetzlar zwei Sprengmeister ums Leben gekommen", sagt Bodes. Angst hat er trotzdem nicht. Dafür aber gehörigen Respekt. "Ich weiß, dass Bombenentschärfen gefährlich ist", sagt er. "Entweder man kann es aber oder nicht. Dann sollte man aufhören."