Im Wildpark Lüneburger Heide entsteht ein Gehege für die gestreiften Großkatzen aus Sibirien

Nindorf. Er gilt als König ohne Reich: der Sibirische Tiger, die größte Raubkatze der Welt. Obwohl streng geschützt, schrumpft der Lebensraum der letzten etwa 350 frei lebenden Exemplare im Drei-Länder-Eck Russland, China und Nordkorea. Zwei Riesentiger, sie kommen aus den Zoos Eberswalde und voraussichtlich Hoyerswerda, ziehen Ende Juni in den Wildpark Lüneburger Heide ein. 600 000 Euro kostet das Gehege - mit knapp 3500 Quadratmetern eines der größten in Europa.

Zurzeit bauen bis zu 15 Menschen gleichzeitig das neue Tigerreich in Nindorf. Das Abendblatt sagt, wie die Zwei-Tiger-Wohnung aussehen wird.

Menschen haben keinen Zutritt. Nicht einmal Raubtierpfleger Jens Pradel, der die beiden Tiger füttern wird. Bis zu fünf Kilo Fleisch, Rindfleisch, Hühnerfleisch und Innereien, verschlingt jede der Riesenkatzen am Tag. In der freien Wildbahn reißt der Sibirische Tiger Wildscheine und Hirsche. Mehr als 300 Kilo schwer und 1,10 Meter hoch kann ein männlicher Tiger werden. Ein geschlossenes Stahltor wird immer zwischen Pradel und den Raubkatzen sein.

Ein 4,50 Meter hoher Zaun trennt Tiger und Wildparkbesucher. Der oberste halbe Meter ist elektrisch geladen. Arbeiter bringen zurzeit die jeweils 50 Kilo schweren Masten in die Erde, verankert in 1,30 Meter tiefen Betonfundamenten. "Das ist wie bei den Dinosauriern im Jurassic Park", sagt Wildpark-Juniorchef Alexander Tietz zu den Sicherheitsvorschriften. Zwei Bauwerke der menschlichen Zivilisation sehen die beiden Tiger an der Grenze ihres Reiches: Ein 27 Meter langer Steg, eine Brücke aus Douglasienholz, dient als Aussichtsplattform in das Tigerland. Bis zu 5,50 Meter hoch stehen hier die Menschen.

Nachts müssen die Tiere in ihre Boxen

Am anderen Ende des Geheges steht eine Trapperhütte. Wildparkbesucher könnten hier den Tigern am nächsten kommen - vorausgesetzt die mächtigen Katzen kratzten an den mit zweieinhalb Zentimeter dickem Panzerglas gesicherten Fenstern.

Die Tiger selbst schlafen in einer ähnlichen Holzhütte aus dicken Fichtenholzstämmen und Beton. Nachts müssen die Tiere in ihre Boxen, das ist Vorschrift. Wenn die Katzen die 35 000 Euro teure Schieberanlage, eine Art stählerne Schleusenkonstruktion, passieren, hat Tierpfleger Jens Pradel die beste Möglichkeit zur Kontrolle. Zum Beispiel, um Anzeichen einer Krankheit zu erkennen. Das Tigerhaus hat zwei Schlafpritschen - etwa einen halben Meter hoch. "Tiger liegen gern erhöht", sagt Alexander Tietz.

Nichts ist zufällig an dem Tigergehege des Wildparks. Zwei Jahre haben Planung und Genehmigung gedauert. Wo die Natur in der Nordheide nicht ausreicht, wird eine Tundra-Landschaft nachgebaut. Eine Spezialfirma modelliert zwei Kunstfelsen. Die als Tages-Liegeplätze gedachten Felsen werden voraussichtlich im September fertig sein. Wichtig dabei ist: Der "Lümmelplatz" muss eben sein. Schräge Liegeplätze lassen die Riesenkatzen links liegen.

Neun Männer der wildparkeigenen Baumannschaft, Maurer, Schlosser, Tischler und Elektriker, arbeiten zurzeit an dem Nindorfer Tigerreich. Zusätzlich sind sechs Bauunternehmen aus der Region beteiligt. Am Sonnabend, 3. Juli, will der Wildpark Lüneburger Heide das Tigergehege offiziell eröffnen. Zurzeit erinnert die Katzenlandschaft eher an wüsten Tagebau: Der Boden ist aufgerissen, überall braune Flecken. Der Bautrupp hat noch viel zu tun: Sie säen auf 2000 Quadratmetern Rasen. Außerdem erhält die Tigerwohnung noch 800 Quadratmeter Rollrasen - wie in den Fußballstadien. Auch das Grün ist besonders: Himalaya-Birken werden Schatten spenden, zu erkennen an ihrem ganz weißen Stamm. Zum Baden bekommen die Tiger zwei Teichlandschaften.

Einzugstermin der Tiger bleibt noch geheim

Jede "Badewanne" wird etwa 80 Quadratmeter groß sein. "Der Eröffnungstermin wird auf jeden Fall gehalten" sagt Alexander Tietz. Notfalls werde nachts gearbeitet. Die beiden Sibirischen Tiger ziehen zur Eingewöhnung schon früher in den Wildpark ein. Voraussichtlich irgendwann in der zweiten Juni-Hälfte. Den genauen Termin hält der Wildpark geheim.

Mit seinen Sibirischen Tigern, ein fünf Jahre alter Kater und eine vier Jahre alte Kätzin (so der Fachjargon), beteiligt sich der Wildpark Lüneburger Heide an dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm. Ziel ist, die bedrohte Art zu bewahren. Zoos und Wildparks tauschen dazu Riesenkatzen aus, um die genetische Vielfalt zu erhöhen. Koordiniert wird das in London. Die Fachwelt in ganz Europa hofft also, dass sich Tiger und Tigerin in Nindorf paaren.