Ein Sehbehinderter zeigt bei einem Rundgang mit der Behinderten Arbeitsgemeinschaft, was für ihn in der Stadt verbessert werden muss.

Harburg. Es gibt noch viel zu tun. Auf dem Weg zu einem behindertengerechten Bezirk hat Harburg noch einige Hürden beiseite zu schaffen. In der Februar-Sitzung der Bezirksversammlung hatten deshalb CDU, GAL und SPD in einem gemeinsamen Antrag 174 000 Euro sogenannte "Gestaltungsmittel" für Barrierefreiheit beschlossen. Die Behinderten Arbeitsgemeinschaft (BAG), die ihren Sitz in der ersten Etage des Marktkauf Centers am Seeveplatz hat, ist nun damit befasst, eine Empfehlung für eine möglichst sinnvolle Verwendung des Geldes zu formulieren.

Für Menschen mit Rollstuhl oder Rollator sind im Stadtgebiet bereits viele Bordsteine abgesenkt, Rampen gebaut oder auch Fahrstühle zu Bahnsteigen installiert. Der Hamburger Verkehrsverbund hat inzwischen viele Niederflurbusse im Einsatz, die ebenfalls als behindertengerecht eingestuft sind. "Das Gleichstellungsgesetz zeigt Wirkung", sagt Birgit Przybylski, Vorstand der BAG. Aber anders als für Rollstuhl- oder Rollator-Fahrern ist für Menschen mit Sehbehinderung bislang noch zu wenig getan worden.

Ein Führhund ersetzt die schwachen Augen

Andreas Schmelt, 50, aus Marmstorf, Harburger Bezirksgruppenleiter und Vorstandsmitglied des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg, war gestern zusammen mit Vertretern der BAG und dem Harburger Stadtpolizisten Peter Petzina in der Harburger Innenstadt unterwegs, um auf Schwachstellen für Sehbehinderte im Straßenverkehr hinzuweisen und um zu zeigen, welche Verbesserungen notwendig wären. Schmelt selbst ist durch eine Erkrankung vor neun Jahren fast vollständig erblindet. "Ich kann nur noch hell und dunkel wahrnehmen", sagt er. 0,02 Prozent Sehkraft hat er noch, vergleichbar mit dichtem Nebel, bei dem man die Hand vor Augen nicht mehr sieht. Er benötigt einen Taststock. Seit einem Jahr hat er auch seinen Führhund "Hektor", einen zwei Jahre alten Labrador. Gut 23 000 Euro kostet ein ausgebildeter Blindenhund.

Der Stadtrundgang führt vom Marktkauf Center über den Seeveplatz zur Moorstraße in Richtung Phoenix Center. Hektor passt auf, führt sein Herrchen die Treppenstufen hinauf zur Moorstraße, bleibt vor dem Bordstein stehen. "Als Blinder achtet man verstärkt auf sein Gehör, auf seine Tastsinne und auch auf Gerüche", sagt Schmelt. Und er weist darauf hin, dass viele alte Menschen zwar nicht blind aber dennoch soweit sehbehindert sind, dass sie vielleicht noch zehn Prozent Sehkraft besitzen. Das reiche kaum aus, um Geh- und Radwege auseinander zu halten. Mehr farblicher Kontrast im Bereich von Fußgängerüberwegen lautet deshalb eine Forderung. Eine weitere Forderung heißt: Noppen- oder Rippen-Platten als Tastmerkmal vor den Bordsteinen an Überwegen. Stadtpolizist Peter Petzina sagt: "Bordsteine sind Haltesteine. Das bringen wir allen Kindern bei." Noppen- oder Rippensteine können deshalb nicht nur für Sehbehinderte ein Erkennungsmerkmal sein, sondern auch Orientierung für Kinder.

An großen Kreuzungen fehlen akustische Ampeln

Die Verkehrsinseln vor dem Phoenix Center, im Übergang der Moorstraße, haben nur einen aufgemalten Strich, keinerlei Tastmerkmale für Sehbehinderte. Abgesenkte Bordsteine mit drei Zentimeter Höhe benötigen sie zum Tasten. Damit Rollstuhl- oder Rollator-Fahrer daran nicht anecken, sollen die Bordsteinkanten abgerundet sein.

An den großen Kreuzungen Wilstorfer Straße/Moorstraße, Harburger Ring/Lüneburger Straße, Harburger Ring/Schlossmühlendamm und Schlossmühlendamm/Sand herrscht so viel Verkehr, dass sich sehbehinderte Menschen nicht mehr in den Verkehr "hineinhören" können. Hier fehlen akustische Ampeln, die mit Piep-Signalen auf grünes Licht für Fußgänger hinweisen. Um alle Fußgängerüberwege im Innenstadtbereich mit kontrastreichen und tastbaren Abgrenzungen auszustatten und Ampeln mit akustischen Signalen aufzurüsten bedarf es mehr als die zur Verfügung stehenden 174 000 Euro. BAG-Vorstand Birgit Przybylski sagt: "Wir schaffen aber einen Anfang."

Die in der BAG für Bau- und Verkehrsfragen zuständigen Mitglieder Günther Wiegers, Walter Rehrmann, Georg Timm und Ilse Vonhoff werden die aus dem Stadtrundgang gewonnenen Erkenntnisse schnell auswerten und eine Empfehlung an das Bezirksamt richten, was vorrangig verbessert werden sollte.