Der Präses der Handelskammer Hamburg macht sich Sorgen um die Harburger Innenstadt. Die Stadt leide unter Versäumnissen der Vergangenheit.

Harburg. Frank Horch (62), Präses der Handelskammer, hat 33 Jahre in leitender Funktion in Harburg gearbeitet. Er ist Geschäftsführer von Blohm + Voss Shipyards & Services auf Steinwerder. Im Interview spricht der Buxtehuder über die Zukunftsaussichten der Wirtschaft im Hamburger Süden.

Hamburger Abendblatt:

Herr Horch, wie steht es im Noch-Krisen-Jahr 2010 um die Wirtschaft in der südlichen Metropolregion Hamburg?

Frank Horch:

Die Talsohle ist durchschritten. Es ist wieder Licht am Ende des Tunnels erkennbar. Es herrscht zwar noch kein ungebremster Optimismus, aber die Wirtschaft stabilisiert sich und entwickelt sich nach vorne. Unterm Strich wird 2010 aber weiter ein schwieriges Jahr sein.

Wie geht es den einzelnen Branchen?

Das produzierende Gewerbe hatte 2009 teilweise dramatisch weniger Aufträge. Das ist nicht so ohne weiteres zu verkraften. Der Anlagen- und Maschinenbau wird auch in diesem Jahr noch seine Probleme haben. Mit dem Auslaufen der Kurzarbeit wird es da noch manch schwierigen Fall zu lösen geben. Was den Handel, den IT-Bereich und die beratenden Dienstleistungen angeht, laufen die Geschäfte schon besser. Das Baugewerbe wird von den Konjunkturprogrammen profitieren.

Im Binnenhafen gibt es große Leerstände. Firmen wie die Deutsche Telekom, Airbus und der Bauer Verlag haben die wirtschaftliche Kraftzelle Harburgs verlassen. Müssen wir uns Sorgen machen?

Der Leerstand im Channel Hamburg ist besorgniserregend. Aber es gibt keinen triftigen Grund, dass das längerfristig so bleibt. Der Hamburger Süden hat sehr gute Chancen, wieder nach vorne zu kommen - vor allem im maritimen Bereich und in der Luftfahrtindustrie.

Welche Branchen werden die Job-Motoren im Süden in den nächsten Jahren sein?

Das werden vor allem innovative, flexible Betriebe sein, die mit ihren Produkten eine gewisse Weltmarktführerschaft in Anspruch nehmen können. Der Kfz-Zulieferer-Bereich und kleinere Maschinenbauunternehmen werden ihre Chance haben.

Wie sieht die Wirtschaftsstruktur im Süden in zehn Jahren aus?

Wir werden mit ganz neuen Bereichen, Produkten, Industrien und Dienstleistungen zu tun haben. Ein Beispiel ist aufgrund der demografischen Entwicklung die Gesundheitswirtschaft - dazu gehört die Pflege älterer Menschen. Die Küste steht vor einer Renaissance als Standort für Industrien mit hoher Import- und Exportorientierung. Da höhere Treibstoffpreise, Staus und Mautgebühren den Transport auf der Straße immer teurer werden lassen, bietet ein Standort mit direktem Zugang zu den Seewegen großes Einsparpotenzial für Unternehmen.

Wie wirtschaftsfreundlich sind Politik und Verwaltung in Harburg?

Beide haben für die Wirtschaft ein sehr offenes Ohr.

Gehen Sie gerne durch die HarburgerInnenstadt?

Leider verödet die Harburger Innenstadt seit Jahren. Mit dem neuen Business Improvement District sind erste Ansätze da, vor allem die Lüneburger Straße neu zu beleben. 2009 hat außerdem das Citymanagement seine Arbeit aufgenommen. Aber noch ist lange nicht aufgeholt, was in den letzten Jahrzehnten versäumt wurde. Es mangelt in Harburg vor allem an Atmosphäre. Noch zeigt sich eine Kühle in der City. Die Qualität der Geschäfte muss besser werden. Ich könnte mir zum Beispiel den Wochenmarkt auf dem Rathausplatz vorstellen. Mehr Leben in die Innenstadt brächte auch, wenn die Stände auf dem Wochenmarkt um die Mittagszeit noch komplett geöffnet wären.

Sie haben 33 Jahre in Harburg gearbeitet und leben in Buxtehude. Mit welchem Argument würden Sie einen Eppendorfer in den Süden locken?

Harburg ist ja keine reine Industriezone. Von Heimfeld bis nach Marmstorf ist die Wohnqualität wirklich hervorragend - die kann absolut mithalten mit guten Lagen nördlich der Elbe, vor allem unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt. In Harburg hat man eine gute Anbindung in alle Himmelsrichtungen, und das Umland ist für die Naherholung hoch attraktiv.

Im Landkreis Harburg sind Standorte als Logistikflächen ausgewiesen. Passen Logistik-Parks in den Landkreis?

Wenn wir den Wirtschaftsraum Hamburg gesamtheitlich betrachten, ist eine Logistikansiedlung in der Nähe zum Hafen genau der richtige Ansatz. In Hamburg wird die Fläche knapp. Wegen der weltweiten Arbeitsteilung wird auch die Logistikbranche im Süden Hamburgs in zwei, drei Jahren wieder in Gang kommen. Der Landkreis Harburg hat die Chance, innovative Logistikparks für die Distribution in ganz Europa zu schaffen.

Tut der Senat genug für sein Leitprojekt "Sprung über die Elbe"?

Das Bemühen ist auf jeden Fall da. Die Verlagerung der Universität Hamburg in den Hafen wäre aber ein falscher Weg. Der jetzige Standort ist für die Stadt inhaltlich und von den Kosten her der richtige Weg. Die Stadt sollte darüber nachdenken, ob die HafenCity Universität und die Kühne Logistics University wirklich in die HafenCity sollen - das wären auch Chancen für die Harburger Schlossinsel oder den Binnenhafen. Ich kann mir zudem vorstellen, eine weitere Behörde aus der Innenstadt in Richtung Süden zu verlagern.

Sie fahren täglich mit dem Auto über die lästige B 73 und die Köhlbrandbrücke nach Steinwerder. Oder durch den Elbtunnel zur Handelskammer. Da dürfte wenig Freude aufkommen...

Ein ganz großes Problem. Ich muss in der Rushhour von sieben bis neun Uhr mit bis zu zwei Stunden Fahrzeit rechnen.

Sie könnten auch in 42 Minuten von Buxtehude bis Jungfernstieg mit der S 3 fahren...

Das lassen meine zahlreichen Termine in der Stadt leider nicht zu.

Sie gelten als vehementer Befürworter einer Hafenquerspange von der A 7 zur A 1. Welchen Nutzen hätte Hamburg von dieser Stadtautobahn?

Die Hafenquerspange ist unverzichtbar. Es gibt keine Großstadt in Europa, die keinen Ring hat - außer Hamburg. Deswegen ist es erforderlich, die beiden Achsen A 1 und A 7 zu verbinden. Das entlastet den Verkehr im Hamburger Süden und auch den Hafenverkehr erheblich.

Schadet so eine Autobahn durch den Süden Wilhelmsburgs nicht der Elbinsel?

Die Elbinsel wird durch die Hafenquerspange keinen Schaden nehmen. Ein Großteil des Hafenverkehrs würde nicht mehr durch Wilhelmsburg rollen.

Werden Sie in Ihrem Leben noch den Bau der Hafenquerspange erleben?

Den möchte und werde ich noch erleben. Der Bau der Hafenquerspange ist wie der Bau Elbquerung zwischen Glückstadt und Wischhafen sowie der Y-Bahn-Trasse eine vorrangige nationale Aufgabe, weil der Norden auch mit dem Bau der Fehmarnbelt-Querung an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen wird. In Gesprächen mit dem Verkehrsminister und mit dem Wirtschaftsminister spüre ich ein zunehmendes Verständnis für diese wichtigen Projekte.

Sie waren 20 Jahre bei der Phoenix in Harburg tätig. Der Name ist verschwunden, viele Arbeitsplätze wurden abgebaut. Stimmt Sie das traurig?

Sehr traurig. Was aus der Phoenix geworden ist, ist ein sehr trauriges Kapitel für Harburg. Mit mehr Herzblut bestimmter Beteiligter hätte eine eigenständige Phoenix gerettet und damit mehr erreicht werden können. Es war ein großer Fehler, nicht an einem Gesamtkonzept Phoenix mit einer Zentrale in Harburg festzuhalten.

Sie sind Geschäftsführer von Blohm + Voss Shipyards & Services. Wie laufen die Geschäfte bei Ihnen?

Schwierig. Die maritime Wirtschaft ist zurzeit mit am stärksten gebeutelt. Wir haben große Probleme, neue Aufträge für Yachten zu bekommen. Wir hoffen, dass wir mit dem Übergang auf Abu Dhabi MAR den Zugang zu neuen Märkten bekommen. Unter dem neuen Eigner werde ich als Mitglied der Geschäftsführung ein größeres Aufgabenfeld übernehmen.

Da bleibt Ihnen nur wenig Zeit für Freizeit...

Ich freue mich, wenn ich mit meinem Segelschiff "Horge" vom Finkenwerder Rüschkanal aus in die Elbe steche. Wenn ich mal Abstand von den Dingen nehmen will, dann ankere ich vor der Insel Schweinesand. Dort habe ich höchste Entspannung.