Abendblatt-Reporterin im Selbstversuch bei der Ernte. Ein Vormittag auf dem Feld genügt für die Erkenntnis, dass das harte Arbeit ist und Geschick verlangt.

Wennerstorf. Regentropfen prasseln auf die schwarze Folie. Ich schaue den kilometerlangen Erdwall entlang, auf das, was noch vor mir liegt. Das andere häuft sich in einer grünen Plastikkiste neben mir auf dem sandigen Boden: der Asparagus officinalis, der gemeine Spargel, ein edles Gemüse.

Ich beuge mich nach vorn, Beine durchgedrückt, die Wirbelsäule gekrümmt. Die berühmt-berüchtigte Körperhaltung beim Spargelstechen: Rückenschmerzen garantiert, jedenfalls für so blutige Anfänger wie mich. Aber wie heißt es so schön: Qualität kommt von Qual! Zarte Risse ziehen sich durch die Erde, an einigen Stellen haben die Spargelköpfe die feine Kruste schon durchbrochen. Ich bohre Zeige- und Ringfinger in den Wall, grabe die weiß schimmernde Knospe frei. So weit, so gut. Dann das 30 Zentimeter lange Stecheisen in die Erde stoßen, so weit wie möglich, hin und her ruckeln und - zustechen! Ich höre ein leises Knacken. Dann ziehe ich das junge Gemüse vorsichtig heraus. "Mist, schon wieder zu kurz", murmele ich. Mindestens 25 Zentimeter muss der durchschnittlich 80 Gramm schwere Trieb lang sein, um von der Maschine zurechtgeschnitten werden zu können. Das ist Norm, alles andere Ausschuss. "Nein, super, super", tröstet mich Eddy (55), Vorarbeiter des Spargelhofs Bartels in Wennerstorf und mein Motivator an diesem Morgen.

Seit dem 13. April wird auf den drei Feldern der Familie Bartels in Rade, Wennerstorf und Wenzendorf auf insgesamt zehn Hektar Spargel gestochen. Bis zum 24. Juni, sieben Tage die Woche, zehn Stunden täglich. An guten Tagen können es bis zu 1000 Kilogramm sein, die auf dem fruchtbaren Land geerntet werden.

Kurz vor sechs Uhr erschien die Gruppe der zwölf Erntehelfer auf dem Feld in Rade. Zehn Männer und zwei Frauen aus Polen, manche von ihnen sind schon zum zehnten Mal dabei. Insgesamt hat Heiner Bartels im Januar 22 Helfer angeworben.

"Natürlich dürfen Sie vorbeikommen", hatte Annika Bartels am Telefon gesagt und gelacht, "wir können jede Hilfe gebrauchen." Das Ernten des edlen Gemüses gilt als besonders anstrengend und kompliziert. Deutsche Kräfte, zum Beispiel über das Arbeitsamt vermittelte Arbeitssuchende, seien sich für diese Arbeit oft zu schade oder nicht geeignet, so die Erfahrung vieler Spargelbauern. Sie klagen über Rückenschmerzen oder erscheinen erst gar nicht zum Dienst.

Mit geübtem Griff ziehen die Arbeiter die schwarze Folie von den Erdhügeln. "Verfrühung" heißt die Methode, mit der die notwendige Bodenwärme von etwa zwölf Grad schon Anfang April anstatt erst im Mai erreicht werden soll. Der Konkurrenzkampf um die erste Ernte ist groß. "Vor drei Wochen lag der Kilo-Preis für Spargel bei 14 Euro, heute bei 9,50 Euro", sagt Heiner Bartels. Dieses Jahr habe die Ernte einige Tage später begonnen, weil der Winter so kalt war. "Dem Spargel ist das gut bekommen, so hatte er Zeit zu ruhen und wächst jetzt umso kräftiger."

Mein Arbeitswerkzeug an diesem Morgen: Das etwa 30 Zentimeter lange, leicht gekrümmte Stecheisen, der Spargelstecher, dann eine Art Kelle, um die Erde über den noch wachsenden Trieben wieder glatt zu streichen und gelbe Gummihandschuhe. Mit Ehrfurcht lausche ich den Anweisungen meines Vorarbeiters. Etwa zwei Zentimeter von der weißen Stange entfernt wird das Eisen in die Erde gestoßen. "Etwa so", erklärt Eddy. Der Stich muss schnell erfolgen und nicht zu schräg ansetzten, sonst gibt es zu viel Verschnitt. Und tatsächlich, eine Minute später strecke ich meine erste Trophäe in die Luft, wunderschön gerade, sauber abgetrennt. Spargelstechen macht Spaß, denke ich.

Anfängerglück - muss ich mir wenige Stiche später eingestehen. Was dann folgt, sind abgebrochene Spargel-Köpfe, massakrierte Stangen. Kurz überlege ich, mich lieber beim Sortieren der Ernte nützlich zu machen, Hilfsarbeiten - und Eddy nicht länger im Weg zu stehen. "Ganz normal, erster Tag", beruhigt er mich in gebrochenem Deutsch. Etwa eine Stunde später haben wir die Kiste gemeinsam gefüllt. Vorsichtig ziehe ich die Ausbeute auf einer Art Schubkarre über den holprigen Boden. Eine gute Kraft sticht bis zu 20 Kilogramm Spargel in der Stunde, eine Kiste voll. 6,35 Euro beträgt der Stundenlohn für diese Arbeit. Die meisten Spargelbauern zahlen pro Kilo. "Wir setzen auf Qualität", betont Heiner Bartels. Seine Mitarbeiter sollen lieber gründlich arbeiten, auch wenn es etwas länger dauert. "Jakosc Pierwsza. Polak potrafi! Erste Qualität, der Pole kann's!" So der Leitsatz, mit der Bauer seine Erntehelfer aufs Feld schickt.

Das Spargelgeschäft hat bei der Familie Bartels eine 25-jährige Tradition. Ein Teil des Ertrags wird über den eigenen Hofladen in Wennerstorf, Wenzendorfer Straße, vertrieben sowie über zehn Verkaufsstände, unter anderem in Hittfeld oder Hamburg. Der andere Teil wird an Gastronomiebetriebe in der Region geliefert.

Um 9 Uhr holt Heiner Bartels die ersten Kisten vom Feld ab, um 12 Uhr die nächsten. Wenn das Thermometer über 15 Grad klettert, fährt er die Tour zwischen Hof und Feldern alle anderthalb Stunden. Frische ist das höchste Gut. Auf dem Hof wird der Spargel gewaschen, zugeschnitten, schockgefroren und dann bei zwei Grad kühl gelagert, bevor er ausgeliefert wird.

Langsam richte ich mich auf, meine Hand auf die Stelle meines Rückens gestützt, die am meisten schmerzt. 11.55 Uhr - gleich ist Mittagspause, für mich Feierabend. "Super, super", lobt mich Eddy noch ein letztes Mal. Dass sein Ertrag ungefähr fünf Mal so hoch war wie meiner, verschweigt er. Und ich blende es aus. Stolz gehe ich den langen Weg an den Erdwällen entlang zurück zum Auto. Spargelstechen macht zufrieden - ein Gefühl, an das ich mich beim nächsten Spargelessen garantiert erinnern werde.