Die Kuratorin des Kunstvereins Harburger Bahnhof. Britta Peters erzählt Stefanie Maeck beim Milchkaffee von den Projekten in Hamburgs Süden.

Harburg. Müde und unermüdlich hängen manchmal dicht zusammen: An diesem Donnerstag um halb elf sieht sie eher müde aus, die Kuratorin des Kunstvereins Harburger Bahnhof. Britta Peters (42) zieht an einem Strohhalm, der in einem Glas frisch gepresstem Orangensaft baumelt. Ihre Augen sind noch leicht umschattet. Ins portugiesische Café "Seu" wollte sie gehen. Hier in Wilhelmsburg, wo sie seit 1995 wohnt und bereits mit dem Kunstprojekt "Wilhelmsburger Freitag" aufgefallen ist. Ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum war das, eigentlich die Spezialität der studierten Kulturwissenschaftlerin. Und vielleicht schoss Kunstvereinskurator Tim Voss, gerne mit blauem Käppi unterwegs, damals die Idee durch den Kopf, Britta Peters Ende 2007 zu sich in den Kunstverein Harburger Bahnhof zu locken - als künstlerische Leiterin. Eigentlich ein Traumjob. Und eigentlich was für "ewig". Wenn da nicht ein entscheidender Nachteil wäre.

Doch zunächst das Gute: Sie "schätzt" den Raum des Kunstvereins im Bahnhof. Wie ein Transit- und ein "Durchgangsraum" sei der: Passend zur modernen Kunst. Die Tür gehe auf, man habe Kontakt zu Menschen, zu Reisenden, die auf zeitgenössische Themen stoßen. "Themen, die jeden angehen": "Arbeitslosigkeit etwa." Das sei "unmittelbar". Manchmal brauche "Kunst ja einen Schutzraum", doch es gebe eben auch "zuviel Kunst mit Schutzraum". Peters mag die lebendige Auseinandersetzung, die die zeitgenössischen Kunstkonzepte auf 300 Quadratmeter Fläche im ehemaligen Wartesaal der ersten Klasse bieten.

Seit 2000 ist man hier, ein Jahr nach der Gründung des Kunstvereins. Direkt über Gleis drei und vier. Gewissermaßen als zweiter Kunstverein in Hamburg. Der Ruf könnte kaum besser sein. Oft werde man mit dem renommierten Museum "Hamburger Bahnhof" in Berlin verwechselt. Peters lacht. "Raum und Lage" erhöben den Verein sowieso über eine gewisse Provinzialität, sagt sie auf die Frage, ob man sich nicht im Schatten des großen Kunstverein-Bruders fühle? Überhaupt: "Provinzialität entsteht im Kopf" Fast hätte es das amtlich gegeben: Zwei Mal war der Kunstverein für den ADKV Art Cologne Preis für Kunstvereine nominiert.

Peters kann allerdings noch ein anderes Lied singen. Da der Kunstverein ohne feste institutionelle Förderung auskommt, ist eine gewisse Unsicherheit der ständige Begleiter durchs Jahr. Von der Hamburger Kulturbehörde gab es in den vergangenen zwei Jahren als projektbezogene Förderung 20 000 Euro. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Man konnte damit gerade die Miete decken. Stehen Projekte an, heißt es deswegen: Anträge schreiben, noch mal Anträge schreiben und alle Gelder zu 100 Prozent selbst einwerben. "Belastend sei das oft", sagt Peters und folgt mit den Augen den Notizen im Block.

Die "kleinteilige Kalkulation" widerspreche oft der "Dynamik von Projekten". Oft müsse der Kunstverein mit Künstlern "Verbindlichkeiten eingehen", wenn man noch gar keine "Sicherheiten" habe. Das erzeuge "starken Druck". Erste Kolalateralschäden sind schon da: Da auch die Kuratoren zwangsläufig nicht marktüblich entlohnt werden, kündigte Tim Voss seinen Weggang ins "W 139" nach Amsterdam an. Nach häufigem Kuratorenwechsel hatte er drei Jahre für die Linienfindung des Vereins gestanden, nun halten Britta Peters und Marie Luise Birkholz die Stellung. Kaum der Rede wert, dass auch sie Nebenbeschäftigungen haben, weil man mit der Entlohnung nicht über die Runden kommt.

Doch Peters, die differenziert und präzise formuliert und ihre Stirn dabei zuweilen ein wenig sorgenvoll kräuselt, will nicht nur über Geld reden: Ein Antrag bei der Kulturbehörde auf institutionelle Förderung soll die Situation verbessern. Hoffentlich. Und jetzt soll es um Projekte gehen. Dazu noch eine Runde Getränke und ein Toast. Peters erwähnt die Reihe "Ordnung: sagt", in der Künstler zu Themen wie Freiheit, Macht, Sex, Geld, Liebe oder Arbeit ausstellten. Und natürlich das Jubiläumsprojekt "Harburger Berge", das weit über den Bezirk hinausstrahlte.

Aktuell steht ein neues Projekt an: Das Magazin. "Was Langfristiges" Britta Peters kommt das erste Mal an diesem Morgen so richtig in Fahrt. Dauerhaft soll ein Raum mit Künstlerbüchern, Kunstzeitschriften und aktuellen Katalogen entstehen. "Als zweiter Ausstellungsraum." Nicht steril und abgeschlossen, sondern zugänglich, in Bewegung und fortschreitend: zum Umstellen, Neuordnen und für neue Verbindungen. "Reisende könnten sich so ein Bild von Hamburgs Kunstszene machen, unabhängig von der Auswahl der ortsansässigen Galerien", erklärt Peters begeistert ihre Idee.

Dazu startet die Ausstellungsreihe "Gefangenes Zimmer", ein Begriff, der auf dem Wohnungsmarkt ein Zimmer meint, das nur durch ein anderes zugänglich ist. Der Clou: Zwei Künstler sind jeweils eingeladen, das vier Meter hohe und 24 Quadratmeter große Zimmer, das in den großen Wartesaal gebaut wird, mit ihren Arbeiten unter Spannung zu setzen. Um auch mal anders mit den ehrwürdigen Hallen zu arbeiten.

Und dann verrät sie ganz bescheiden noch einen Erfolg: Peters ist es gelungen, die Senatorin für Kultur, Sport und Medien Karin von Welck am 29. April zu sich nach Harburg aufs Podium zu locken. Thema der Veranstaltung "Wohin gehört die Kunst?".

Peters Handy meldet sich, schnell schießen wir noch ein Foto, dann muss die Kuratorin losradeln: Weiter für den Kunstverein organisieren, Leute treffen, Anträge schreiben - immer ein wenig auf dem Sprung. Morgen und am Wochenende - unermüdlich und manchmal ein bisschen müde.

Im Mai flüstert Stefanie Maeck wieder mit einer Harburger Kulturpersönlichkeit