In Buchholz wird Sonntag ein einzigartiges Projekt eingeweiht. Zehn Stationen, zehn Neuigkeiten: Auf dem Gelände von Blau-Weiß ist der erste “Spielraum für alle“ entstanden - für Menschen mit und ohne Handicap.

Buchholz. "Genial!", ruft Björn Behnke. Entschlossen greift er an seinen Rollstuhl und fährt zum Trampolin. Der fahrbare Untersatz landet in der ebenerdigen Gummimatte, Björn plumpst per Seitwärtsrolle hinterher. Dann hüpft er im Sitzen auf dem Kautschuknetz auf und ab. Wie ein Flummi. Die Gummimatte macht "boing, boing, boing". Björn macht "ha, ha, ha".

Trampolinspringen - das kann der Elfjährige sonst selten. Seit seiner Geburt ist er an den Rollstuhl gefesselt. Denn Björn teilt das Schicksal von jedem 1000. Kind in Mitteleuropa: Er leidet an Spina bifida , einem Spaltwirbel - besser bekannt als offener Rücken. Wegen seiner Behinderung bleibt ihm körperliche Aktivität wie das ausgelassene Hüpfen auf Trampolinen oft verwehrt. Doch es ist offenkundig möglich, wenn das richtige Spielgerät vorhanden ist.

In Buchholz wird am Sonntag ein echtes Novum im Landkreis Harburg eröffnet - der erste Spielplatz, auf dem Behinderte selbstständig der Bewegung frönen können. Der neue Sport- und Spielplatz auf dem Gelände von Blau-Weiß Buchholz hat viele Nerven und auch eine Menge Geld gekostet, meint Vereinschef Arno Reglitzky. Die Kosten explodierten im Lauf der Planung - von 70 000 auf 350 000 Euro. Aber erstens konnte das Geld durch Landesförderung und viele Spender eingetrieben werden. Zweitens habe sich die zehrende Zeit gelohnt. Denn dieser Platz ist in seiner jetzigen Form einzigartig in Deutschland.

An zehn Stationen, die Namen wie "Netzschaukel", "Rollstuhlwippe" oder "Burglabyrinth" tragen, können behinderte und nicht behinderte Menschen gleichermaßen trainieren - oder einfach nur Spaß haben. Einer der größten Sportvereine im Landkreis (33 Sportarten, 4500 Mitglieder) legt nach eigenem Bekunden viel Wert auf die Behindertensparte. So sei auch das 2006 eingeweihte Hauptgebäude mit behindertengerechten Zugängen, Fahrstuhl und Rampe ausgerüstet worden. Auch beim neuen "Spielraum für alle" stehen die Geräte und Stationen barrierefrei, also für Jedermann erreichbar. Das 6300 Quadratmeter große Gelände ist überdies mit einer 240 Meter langen Asphaltbahn eingefasst - ideal für das Training von Rollstuhlfahrern.

Dass der Bedarf da ist, zeige die Statistik: Zwölf Prozent aller Landkreis-Einwohner, rund 30 000 Menschen, haben körperliche oder geistige Einschränkungen. Darüber hinaus sei die neue Anlage Anziehungspunkt für behinderte Menschen aus benachbarten Landkreisen. Auch Björn Behnke kam extra aus Munster, um die Gerätschaften auszuprobieren.

Probieren und abwägen - das stand auch für das Planungsteam, bestehend aus behinderten und nicht behinderten Menschen, im Vordergrund. Ziel war, eine großzügige, übersichtliche und vielfältige Sport- und Spielanlage zu kreieren.

Entstanden ist eine Abenteuerfläche mit Sand- und Wasserspielen, Schaukeln, Rutschen, Karussell und runder Tischtennisplatte, an der auch Rollstuhlfahrer ihren Spaß haben können. Der mit Zusatz von Kunststoff gefertigte Untergrund garantiert überdies gute Erreichbarkeit, 20 Sickermulden verhindern das Unterspülen der Anlage bei Regenwetter. "Wir fördern hier das integrative Miteinander und das gemeinsame Erleben in der Natur", sagt Arno Reglitzky. Für Sommerfeste und Kindergeburtstage hat sogar eine Feuerstelle nebst Regenhütte Platz gefunden. Behindertensportvereine, integrative Gruppen der Kindergärten und Schulen sowie Teams anderer Sportvereine und Organisationen würden auf dem Gelände viele Möglichkeiten finden. Gemeinsam spielen, Sport treiben, die Natur erleben und sinnvoll die Zeit verbringen, Barrieren zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen abbauen und die Integration von Behinderten in die Tat umsetzen - dem Charme dieses einzigartigen Pilot-Projektes war nach längerer Überzeugungsarbeit auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) verfallen. Er unterstützte das Projekt und wird mit dem stellvertretenden Landrat Heiner Schönecke (CDU) sowie Bürgermeister Wilfried Geiger (parteilos) an der Eröffnung am Sonntag, 18. April, ab 11 Uhr teilnehmen.

Abgesehen von diesen offiziellen Lorbeeren macht der junge Rollstuhlfahrer Björn Behnke der Anlage das vielleicht wichtigste Kompliment: "Eine sinnvolle Sache. Wirklich genial hier!"