Die Haftstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Der Täter muss dazu 1200 Euro Schmerzensgeld an das Opfer zahlen.

Harburg. Mit klarer Stimme spricht das Opfer im Saal 33 des Amtsgerichts Harburg. "Ich habe bis heute noch Angst, dass wieder etwas passiert. Ich gucke mich immer um, wenn ich unterwegs bin. In der S-Bahn fahre ich nicht mehr alleine."

Während die Harburgerin Özlem (18) als Nebenklägerin aussagt, hat der Angeklagte Izzet K. (25) auf Empfehlung seines Anwalts den Gerichtssaal verlassen. Özlems Anwältin hat dem Gericht ein ärztliches Attest vorgelegt: "Bei der Gerichtsverhandlung sollte Özlem eine unmittelbare Gegenüberstellung mit dem Beklagten unbedingt erspart bleiben", schreibt der Arzt. "Es besteht eine erhebliche Gefährdung, dass bei Özlem eine bleibende psychische Schädigung entstehen könnte."

Der Fall Özlem, der viele Harburger bewegt hat, ist vorläufig abgeschlossen. Ein Mann hatte die Handelsschülerin am 16. Februar 2009 im S-Bahnhof Harburg-Rathaus gegen 15 Uhr mit der Faust blutig geschlagen. Der Schlag traf Özlem mit voller Wucht ins Gesicht - Nasenbeinfraktur.

Amtsrichter Philipp hat jetzt den arbeitslosen Izzet K., ein kräftiger Deutscher türkischer Herkunft aus Kirchdorf-Süd, zu vier Monaten Haft auf Bewährung und zu 1200 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Izzet K. schüttelte vor dem Urteil mit dem Kopf und sagte: "Ich war es nicht gewesen. Ich habe diese Person nie gesehen. Ich würde so etwas nie machen. Das ist peinlich, dass ich hier sitze und meine Eltern zuhören müssen."

Richter Philipp war "von der Schuld des Angeklagten überzeugt". Die Zeugin Cornelia K. (38) und Özlem hatten Izzet K. in einer "Wahllichtbildvorlage" bei der Bundespolizei als einen unter neun Männern als Täter identifiziert. "Als mir die Bilder vorgelegt wurde, habe ich den Mann sofort erkannt", sagte Özlem dem Richter.

Sie war am Tattag um 14.57 Uhr auf Gleis 2 im Bahnhof Harburg-Rathaus angekommen. "Kurz vor der Rolltreppe hat mich der Mann angesprochen. Erst habe ich ihn ignoriert und Musik gehört. Dann hat er mich gefragt, ob ich eine Zigarette will. Ich habe gesagt, 'lass mich in Ruhe!' Dann kam er mir mit dem Feuerzeug nahe und wollte meine Haare verbrennen. Ich habe seine Hand weggeschubst."

Die zweite Rolltreppe lässt Özlem links liegen. "Ich ging die Treppe hoch, er kam mir hinterher und fragte: 'Wo gehst du hin?' Ich habe geschrien, damit jemand zu Hilfe eilt: 'Hau ab, was interessiert dich das!' Niemand kam, ich bin schneller gegangen. Im Fußgängertunnel unter dem Harburger Ring hat mir der Mann einen Beinhaken gestellt. Ich bin sauer geworden, habe mich umgedreht und weiter geschrien und habe versucht, mich mit dem rechten Arm zu wehren. Daraufhin hat er mir sofort mit der Faust auf die Nase geschlagen." Der Täter flüchtete.

Ohne die Zeugin Cornelia K. wäre Izzet K. wohl nie gefasst worden. Denn die Harburger Polizei übermittelte der Bundespolizei falsche Aufnahmen. Als Opfer und Zeugin das Material sichteten, waren die Kameraaufnahmen von Gleis 2 und vom Ausgang zur Neuen Straße bereits gelöscht worden.

Aber Cornelia K. erkannte den Mann am 31. März 2009 in der S 31 wieder, als er wieder um 14.57 Uhr im Bahnhof Harburg-Rathaus ausstieg. Danach wertete die Bundespolizei 22 Kameras am S-Bahnhof aus. Cornelia K. bekam die Bänder zu sehen - ganz klar erkannte sie den Täter.

Der Staatsanwalt sah bei Özlem und Cornelia K. "kein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht reinzureiten, beide kannten Herrn K. nicht". Zugunsten von Izzet K. wertete das Gericht, dass sein Führungszeugnis keine Eintragungen aufweist. 2005 war er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt worden. Ein anderes Verfahren stellte der Richter ein: Dabei ging es um einen Streit vor einer Diskothek, wo Izzet K. einem 20-Jährigen mit einer Metallstange eine Platzwunde zugefügt haben soll.