Wer etwas auf sich hält, kocht bodenständig und liegt damit voll im Trend. Wir haben drei deutsche Restaurants besucht, die konsequent frisch kochen und immer wieder Neues präsentieren.

Zum Alchimisten

Amelinghausen/Rosengarten/Bliederstorf. Bei Martin Herzogs Planungen spielt der Kalender die entscheidende Rolle. "Ich koche nur, was die Natur gerade hergibt", sagt der Küchenchef. "Im Sommer leicht und mediterran, im Winter deftig." Die Dienstleistung und das Produkt sollen bei ihm im Vordergrund stehen. Nichts darf vom Urgeschmack der Zutaten ablenken.

Ende Mai vorigen Jahres hat er den Alchimisten in Amelinghausen wiedereröffnet. Lassen Sie sich von dem ungemütlichen Straßennamen (Auf der kalten Hude) nicht täuschen! Das kleine Hexenhaus am Lopausee strahlt viel Wärme aus, inklusive Kuschelkomfort am offenen Kamin. Nach zwei Jahren im Harburger Marinas Mitte der 90er-Jahre begann Martin Herzog seine Wanderjahre. Die führten ihn als Stellvertreter bis zu Sternekoch Alfons Schubeck und ins mallorquinische Top-Lokal Tristan (zwei Michelin-Sterne).

"Die Küche von Schubeck mit all den Kräutern und Gewürzen hat mich am meisten geprägt", erzählt der gebürtige Lüneburger. Wenn's wieder wärmer wird, erntet er im selbst angelegten Kräutergarten. Auch die Region spielt im ersten eigenen Restaurant eine wichtige Rolle. Zusammen mit Schlachter Drewes hat er die Alchimisten-Bratwurst entwickelt, eine Kombination aus Kalb- und Schweinefleisch, gewürzt mit Chili, Kreuzkümmel und Majoran.

Vom Grevenhof bei Bispingen bezieht er Forellen, Saiblinge und Kaviar. Auffällig ist die Großzügigkeit bereits bei der Ouvertüre des Essens: Kalbsröllchen mit Radieschensalat und Käsecracker bleiben ebenso wie die Probierportion der Kartoffelsuppe mit Blutwurst ohne Berechnung. Die Küche grüßt, den Gast freut es.

Wer jetzt noch eine Vorspeise braucht, lässt sich von André Scheffler und Marcel Tafelsky "Heide-Happas" (10,50 Euro) servieren, bis zu zehn kleine regionale Vorspeisen im Tapasstil. Geschmort wird in der Alchimistenküche, etwa Kalbsrahmbraten mit Champignons, Brokkoli und Kartoffelpüree (17,20 Euro). Der Hirschkalbsrücken wird gebraten und kommt auf Spitzkohl mit Spätzle für 23 Euro auf den Teller. Übrigens: Alchimisten waren die ersten Chemiker. Martin Herzog mixt aus natürlichen Zutaten eine moderne Landküche.

Meyer's Linde

Auch Silvia Ketelsen kennt die Vorzüge regionaler Erzeuger: kurze Wege, gute Qualität und die verstärkte Nachfrage nach einheimischen Erzeugnissen. Doch sie muss auch höhere Einkaufspreise und schwankende Liefermengen in ihre Philosophie mit einplanen.

Gemüse vom Bauernhof Overmeyer, Fleisch vom Bunten Bentheimer Schwein oder Zuchtforellen aus Wörme finden immer wieder ihren Weg in die Speisekarte. Seezungen aus dem Atlantik oder Geflügel vom Großmarkt werden ebenso frisch zubereitet, immer mit einer Prise Raffinesse.

Seit 2005 gehört die Köchin zu den wenigen weiblichen Küchenchefs südlich der Elbe. Das Handwerk wurde ihr in die Wiege gelegt. Uroma Magdalena und Oma Elise gründeten das Lokal in Ehestorf. Damals wie heute bilden die Harburger Berge eine herrliche Naturkulisse und sind für viele Ausflügler das Rahmenprogramm ihres Besuches. Auch vom benachbarten Wildpark und dem Freilichtmuseum profitiert Familie Meyer.

Mutter Irmgard hilft noch immer im Service, Seniorchef Horst Meyer sorgt hinterm Tresen für Getränke und sympathische Schnacks mit den Gästen. Gebratene Grützwurst, Sülze und Schweinebraten sind seit über 100 Jahren im Programm. Es schmeckt. Gleichwohl sich die Zubereitung natürlich verändert hat. Silvia Ketelsen liebt es, traditionelle Küche mit mediterranen oder orientalischen Einflüssen zu vermischen. Da kann es schon mal Spargel-Bruschetta geben oder Matjes im Bierteig auf Zucchini-Tomatenragout.

Am Wochenende steckt traditionell Braten im Ofen - vom Schwein, Hirsch, Lamm oder von der Heidschnucke. Ihre Keule gart dann über vier Stunden auf Niedertemperatur. Braten mit Soße, Gemüse, Kartoffeln oder Spätzle immer unter 14 Euro.

Zeitgemäße Ambitionen lassen sich auch an regelmäßigen Aktionen festmachen. Zum Kennenlernen eignet sich das monatliche Schlemmerbuffet jeden ersten Sonntag für gastfreundlich kalkulierte 15,50 Euro.

Viebrocks Gasthaus

Klaus Cohrs kommt mit Untertreibung ans Ziel. Er nennt sein Restaurant einfach Gasthaus. Das soll Schwellenangst mindern und heißt auch den Waldwanderer mit rustikalem Schuhwerk willkommen. Einmal eingekehrt, steigen die Erwartungen: "Wo das Essen ein Gedicht ist", lautet der Leitspruch. Wie viel Poesie steckt im Lachsfilet mit frisch geriebenem Meerrettich? Lassen Sie Ihren Geschmack entscheiden! Immerhin machen die Köche Carsten Wetzel und Sebastian Grunert aus seiner Beilage einen Kartoffel-Rucolamantel und umhüllen den maritimen Hauptdarsteller. Für 18,80 Euro ein gelungenes Experiment. Pluspunkt: Die köstliche Meerrettichsoße kommt zum Nachgießen mit auf den Tisch. Auch hier ist Frische ein Qualitätsmerkmal. Nicht nur bei Soßen, sondern auch Suppen. Jede Bouillon wird mit Rindfleischknochen angesetzt. Klaus Cohrs und seine Frau Martina schätzen "verlässliche Zubereitung mit künstlerischer Note. Wir wollen nicht jeden Trend mitnehmen", sagen die Gastwirte. Zum Bodenständigen gehört der Speisekarten-Stammplatz für Bauernfrühstück und Schinkenbrot genauso wie gediegenes Ambiente und persönlicher Service. Der helle Wintergarten ist meistens zuerst bevölkert. Strikte Regionalität gehört nicht zu den Zielen von Küchenmeister Klaus Cohrs. Obwohl der Bruder gleich gegenüber einen Hofladen betreibt, sind immer wieder ausländische Spezialitäten im Angebot, aktuell z.B. Tafelspitz vom Charolais-Rind in Meerrettichsoße mit Salzkartoffeln und grünem Salat (14,80 Euro). Als es noch keine Autos gab, beherbergte das Haus an der Kreisstraße zwischen Buxtehude und Harsefeld eine Zollstation. Der preußische Staat verlangte Wegegeld.

Bis zur Erhebung des Schlagbaums gönnten die Fuhrleute ihren Pferden eine Verschnaufpause. In der Zwischenzeit wurden Mensch und Tier verköstigt. Seit über 50 Jahren ist Familie Cohrs für ihre Gäste da. Auf zwei Klassiker will sie nicht verzichten: den Altdeutschen Topf mit drei Schweinefilets und Bratkartoffeln (13 Euro) sowie das Rumpsteak "Hofmeisterart" (17,80 Euro). Vorsichtshalber steht über der Eingangstür des Reetdachhauses: "Heute für Geld, morgen umsonst."