400 Menschen demonstrieren auf dem Rathausplatz gegen eine Versammlung von 45 Rechtsradikalen.

Buchholz. Die Bürger der Stadt Buchholz in der Nordheide haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie keine Rechtsradikalen in ihrer Stadt tolerieren. Am Ostersonnabend kamen nach Angaben des "Bündnisses gegen Extremismus und Gewalt" 450 Menschen auf dem Rathausplatz zusammen und demonstrierten gegen eine Neonazi-Demo auf dem Bahnhofsvorplatz - die Polizei sprach von 350 Demonstranten. Das Bündnis wurde unterstützt von der Stadt, den Ratsfraktionen, Kirchen, Verbänden, Vereinen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Auf dem Rathausplatz waren kurz vor 12 Uhr denn auch Menschen unterschiedlicher politischer Couleur, jung und alt, zusammen gekommen. Gegen 13.30 Uhr versammelten sich 45 Rechtsradikale zum NPD-"Aufmarsch" auf dem Bahnhofsvorplatz. 800 Polizisten aus großen Teilen Niedersachsens schirmten das Bahnhofsgelände ab - nur Journalisten und einige Politiker durften die Sperren passieren.

Zwei junge Männer (19) der linksautonomen Szene bewarfen einen mit NPD-Anhängern besetzten Pkw mit Steinen. Ein Mann (27) wurde durch den Steinwurf leicht verletzt und kam vorsorglich in ein Krankenhaus. Die Polizei nahm die beiden 19-Jährigen vorläufig fest. Ansonsten kam es in Buchholz zu keinen Ausschreitungen zwischen Neonazis und Linksautonomen.

Etwa 30 Linksautonome fuhren mit dem Zug nach Tostedt und suchten gegen 16 Uhr "die Konfrontation mit der örtlichen rechten Szene", so ein Polizeisprecher. Polizisten verhinderten Übergriffe zwischen beiden Gruppierungen.

Die Neonazis in Buchholz waren überwiegend zwischen 17 und 25 Jahre alt. Darunter waren auch drei Jugendliche mit schwarzen Sweatshirts, die den Aufdruck "Kameradschaft Buchholz" trugen. Unter den Rechtsradikalen war auch ein knappes Dutzend junger Frauen vertreten; das Anliegen der Rechtsradikalen an diesem Tag: "Kriminelle Ausländer ausweisen".

Bürgermeister Wilfried Geiger (parteilos)brachte es auf dem Rathausplatz am Anfang seiner Rede auf den Punkt, was die große Mehrheit der Buchholzer denkt: "Gemeinsam stehen wir friedlich gegen Gewalt und Extremismus. Wir sagen Nein zu den Feinden der Freiheit! Wir sind vereint gegen Rechtsextremisten. Buchholz gehört uns! Und wir geben es nicht her!"

In den vergangenen Jahrzehnten, so Geiger, "haben uns die NPD und ihre Gesinnungsgenossen weitest gehend in Ruhe gelassen." Ende der 70er-Jahre waren Neonazis in Buchholz unterwegs. Damals standen sie hinter Tapeziertischen vor Woolworth "und versuchten ihre braune Ideologie unter uns zu bringen". Einen zweite Anlauf nahmen die Rechtsradikalen Anfang der 90er-Jahre, als viele Asylbewerber im Jugendzentrum und in der Schützenhalle aufgenommen wurden - Buchholzer bildeten damals Nachtwachen, um Übergriffe zu verhindern. "Der Rechtsextremismus", sagte Geiger, "ist aber mittlerweile längst wieder dort angekommen, wo wir ihn nie finden wollten: in der Mitte der Gesellschaft." Der Bürgermeister verwies auf die Landtagswahlen in Sachsen, wo der NPD im September 2009 der Wiedereinzug in einen Landtag gelang.

Geiger: "Die neuen Nazis sind auch längst bei uns angekommen. Wenn auch nicht im niedersächsischen Landtag, so doch auf den Straßen und Plätzen von Lüneburg, Winsen, Seevetal, Tostedt - und jetzt auch wieder in Buchholz."

Sorge bereitete Geiger, dass die Neonazis sich zunehmend um Schüler und sozial Schwache "kümmern" und sie radikalisieren. "Wir werden dem nicht tatenlos zusehen. Wir werden auf junge Menschen zugehen und Überzeugungsarbeit leisten."

Pastorin Ines Bauschte von der evangelischen St. Paulus-Kirche in Buchholz sagte, "wir müssen uns auf die Grundlagen einer zivilen, freien, offenen, demokratischen, vielfältigen und lernfähigen Gesellschaft besinnen". Ihre Bitte an die Buchholzer: "Wenn Ihr Euch gegen Rechtsradikalismus engagiert, dann engagiert Euch bitte gleichzeitig für die Migranten in Buchholz. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille!"

Olaf Meyer von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen sagte, dass sich "in der Nordheide eine der aktivsten und gewalttätigsten Nazistrukturen in Norddeutschland entwickelt" habe. Schwerpunkt "neofaschistischer Aktivitäten" sei "Tostedt und Umgebung". "Schon jetzt vergeht kaum eine Woche, wo nicht Neonazis junge Menschen, die sie als politische Feinde ausgemacht haben, bedrohen, verfolgen und überfallen." In Buchholz arbeite die "Kleinst-Nazigruppe 'Kameradschaft Buchholz' eng mit der NPD und der Naziszene in Tostedt zusammen".

Für den DGB ging Lutz Kokemüller ans Mikrofon: "Wir lassen nicht zu, dass Faschismus in der Öffentlichkeit geduldet und anerkannt wird", sagte der Kreisvorsitzende. "Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen." Die Buchholzer Sozialdemokratin Monika Griefahn vom Aktionskreis "Gesicht zeigen" sprach von "140 Todesopfern durch rechte Gewalt seit der Wende in Deutschland".

Und was sagten die Menschen auf dem Rathausplatz? "Wir sind dagegen, dass eine Partei den Staat untergräbt und gleichzeitig von diesem Staat wegen des Parteienfinanzierungsgesetzes unterstützt wird", sagten Wolfgang (63) und Marianne Rohloff (59) aus Buchholz. "Unser Land hat eine besondere Geschichte, und draus sollten wir lernen", sagte der Buchholzer Holger Kuk (40), der mit seinem Sohn Lasse (6) demonstrierte. "Wir müssen von der Vielfalt leben und nicht von der Einfalt."

Leon (10), aus Erlangen zu Besuch, sagte, "dass in Buchholz keine Nazis sein sollen", Jasmin Liebentraut (19) aus Kampen und Mario Pütz (22) aus Buchholz wollten "Gesicht zeigen gegen rechts". Und Stefan Martens (42) und seine Frau Alice (41), von Hamburg-Barmbek nach Seppensen gezogen, sagten, "wir sind Antifaschisten und haben schon unser ganzes Leben lang gegen Faschisten demonstriert. Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst."