Mitglieder der Organisation “Seniorpartner in School“ sind für die Kinder immer da und hören ihnen zu. Dabei werden den Jungen und Mädchen Wege gezeigt, wie sie Probleme ausräumen können.

Lüneburg. Hans-Jürgen Schmidt, 68 Jahre alt und ehemaliger Sozialarbeiter, sitzt im "Raum der guten Lösungen" in der Anne-Frank-Grundschule. Mit ihm am Tisch sind zwei Schülerinnen der vierten Klasse, Melissa König und Virginia Schüßler. Heute plaudern sie mit dem Senioren nur etwas über die Schule und ihre Zukunftswünsche. An anderen Tagen allerdings stehen vor dem Raum viele Kinder aller Klassenstufen Schlange, die gemeinsam mit Schmidt eine Lösung für ihre Probleme und Konflikte mit anderen Schülern finden wollen. Denn Schmidt ist seit 2008 Koordinator und Mediator der Organisation "Seniorpartner in School", kurz SiS. Unter dem Motto "Konfliktschlichtung und Gewaltprävention in Schulen", entwickeln ausgebildete Senioren gemeinsam mit den Kindern Wege zur Konfliktlösung. Die Schüler können mit den Seniorpartnern über all ihre Probleme sprechen, seien es Streitereien mit anderen Schülern, angeblich ungerechte Lehrer oder Probleme in der Familie.

Die Seniorpartner hören immer zu - auch wenn die Kinder keine aktuellen Probleme haben. So wie Virginia und Melissa heute. Denn gerade sind sie eigentlich nur zu Demonstrationszwecken mit Hans-Jürgen Schmidt verabredet: Ihre Schulleiterin Daniela Thiesing-Neben und Artus Knabe, Vize-Präsident des Lions Clubs Ilmenau, der SiS vor allem finanziell unterstützt, wollten einmal einen direkten Einblick in die Praxis des Projektes erhalten.

Die Schule in Kaltenmoor war die erste, in der die Seniorpartner ihre Arbeit aufnahmen. "Lüneburg hat zum Beispiel keine spezielle Schule für verhaltensauffällige Kinder, deswegen müssen alle Schulen diese Kinder auffangen", erklärt die Schulleiterin. Von SiS hat sie durch Zeitungen erfahren und sich umgehend an den Koordinator, Hans-Jürgen Schmidt, gewandt. Beim ersten Kontakt mit ihm ist der Direktorin vor allem seine Herzlichkeit und Wärme aufgefallen. Thiesing-Neben war sich sicher: "Schmidt ist jemand, dem die Kinder vertrauen." Und genau darum geht es bei dem Projekt.

"Bei mir erwartet die Kinder keinen Ärger, sie sollen nur die Möglichkeit haben, mir von ihren Problemen zu erzählen", so Schmidt. Er will für die Schüler da sein, wenn sie ihn brauchen - auch wenn sie dieses Angebot nicht sofort annehmen. Im Gespräch will er den Kindern dann Impulse geben, damit sie selbstständig eine Lösung für ihren Konflikt finden können. So vermitteln die Mediatoren zum Beispiel nicht zwischen Schüler und Lehrer. "Das müssen die Kinder schon selber machen", so Schmidt.

Die Methode zur Konfliktlösung ist die Mediation. Durch dieses kommunikative Verfahren der Vermittlung und Einigung in Streitfällen sollen Blockaden gelöst und das Klima in der Schule verbessert werden. Senioren sollen dabei einen besonderen Zugang auf die Kinder haben. Seit 2009 hat auch Lüneburg einen Stützpunkt von SiS. Hier beteiligen sich die Anne-Frank-Grundschule, die Heiligengeistschule und die Hermann-Löns-Schule an dem Projekt. In einem dafür vorgesehenen Raum nehmen sich dreimal wöchentlich jeweils zwei Senioren im Team vier Stunden lang Zeit für die Probleme der Schüler. Allerdings können die mediativen Aufgaben nicht von jedem Senioren übernommen werden. Es bedarf einer besonderen Ausbildung. Seit Februar ist die erste Staffel der Seniorpartner, die allein in der Anne-Frank-Grundschule sechs Freiwillige beschäftigt, nun in Lüneburger Schulen aktiv.

"Den Lehrern ist es eigentlich nicht möglich, sich um jedes Problem der Kinder individuell zu kümmern. Deswegen brauchen wir die Unterstützung der Seniorpartner", so Daniela Thiesing-Neben. Und von diesem Kontakt profitieren beide Generationen: Die Senioren erhalten hier eine sinnvolle Aufgabe, die ihnen das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. Die Kinder wiederum lernen, mit ihren Konflikten umzugehen und können sich ohne Sorgen auch besser auf den Unterrichtsstoff konzentrieren.

"SiS wurde der Schule nicht einfach ,aufgedrückt', sondern ist in die Schulform integriert", erklärt Thiesing-Neben. Wenn ein Kind eine besonders schwere Vergangenheit hat oder weitergehende Hilfe benötigt, kooperieren die Parteien - ansonsten bleiben die Inhalte der Gespräche aber streng vertraulich.

Hans-Jürgen Schmidt lebt von den positiven Rückmeldungen zu seinem Projekt. Die Schlange, die sich regelmäßig vor seinem Arbeitsplatz, dem "Raum der guten Lösungen", bildet, bestätigt ihn und seine Mitarbeiter zusätzlich.

Durch seinen Erfolg ermutigt, plant Schmidt nun eine weitere Ausbildungsphase für Mediatoren, damit noch mehr Schulen von dem Konzept profitieren können.