Aus jeder Ecke atmet das Bühnenbild Biederkeit der 50er-Jahre.

Harburg. In Lindas (Svenja Pages) "Pfälzereck" lässt es sich zum Jahreswechsel 1953/54 zwischen Nachkriegstristesse, verstaubten Schlagern und ersten Träumen von der Amerikanisierung Silvester feiern oder eine 47er Spätlese in grünen Winzerkelchen zur Brust nehmen: Ansonsten ist das Lokal wirtschaftlich nicht gerade gut aufgestellt - einzige Rettung vor dem Pfändungstermin könnten öffentliche Fernsehvorführungen mit dem klobigen Telefunkengerät sein, das die pfiffige Mama Käthe (Karin Nennemann) angeschleppt hat: die Weltmeisterschaft in der Schweiz soll auf den Schirm. Am Harburger Theater gibt man sich bis ins Detail Mühe, den Geist der 50er-Jahre in der Inszenierung des "Wunders von Bern" aufleben zu lassen: von verdrängter Kriegsschuld und neuer Biederkeit über Flucht in die konservativ-heile Welt des Schlagers bis hin zu amerikanischen Konsumversprechen - inklusive einiger zeitkritischer Anklänge und historischer Belehrungen, die Autor Volkmar Nebe seinem Stück mitgegeben hat. Doch als Zuschauer weiß man nicht recht, ob man die Biederkeit und das Angestaubte nicht auch der Inszenierung vorwerfen möchte: Das "Wunder von Bern" kommt langsam in Fahrt und bleibt inhaltlich ein unausgegorener Mix.

Schlaue inszenatorische Idee von Regisseur Georg Münzel ist allerdings, die wummernde Musik von Peter Fox als narrativen Zeitverdichter einzusetzen, um ein wenig Straffung ins "Spiel" zu bringen. Doch der insgesamt langatmige und zäh fließende Theaterabend hätte dramaturgisch noch mehr Raffung und Dynamik verkraftet. Wirtin Linda wird sich in ihren neuen Gast Horst Bachmann (Matthias Pantel) verlieben, einen Spitzel aus dem Osten, vom Neuen Deutschland auf sie als Cousine von Fußballgott Fritz Walter (Dirk Hoener) angesetzt.

Bis sich die Crew vom "Pfälzereck" zum Endspiel vor dem Telefunken "durchdribbelt" und zu einem hübsch choreographierten Schlussbild aufläuft, wird es dauern. Zeit, in der das zähe "Wunder von Bern" auch winzige "Funken" versprüht: Karin Nennemann als Mama Käthe füllt ihre Rolle mit Charme, Witz und manch kleiner Geste - Sarah Diener als schöne Italienerin und Dirk Hoener als Fritz Walter mit slapstickhafter Trimm-dich-Attitude überzeugen ebenfalls. Insgesamt wünscht man jedoch mehr Subtilität: dieses Spiel war leider nicht rund. Vorstellungen bis 9. April am Harburger Theater.