Bei nur noch sechs Monaten Dienst können die Zivildienstleistenden kaum noch sinnvoll angelernt und eingesetzt werden, kritisieren Pflegeeinrichtungen.

Harburg/Stade /Lüneburg. Die Pläne für die Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate sorgen für Probleme, Ärger und Verwirrung in vielen sozialen Einrichtungen. Pflegedienste, Krankenhäuser und Wohlfahrtsverbände in Harburg und den Landkreisen Harburg, Stade und Lüneburg befürchten drastische Auswirkungen auf ihre Arbeit aufgrund der Veränderung. Vielen erscheint eine Einsatzzeit von nur sechs Monaten als zu kurz, um die jungen Männer sinnvoll in die Arbeit mit einzubinden. Deshalb überlegen einige Institutionen, die Einstellung von Zivildienstleistenden komplett abzuschaffen. Andere hoffen darauf, dass die jungen Männer die Zusammenarbeit freiwillig verlängern, um zum Beispiel die Zeit bis zum Studienbeginn zu überbrücken.

"Wir empfinden bereits neun Monate als überaus kurz. Deshalb haben wir die Anstellung von Zivildienstleistenden bei uns schon jetzt stark reduziert", sagt Harald Krüger, Geschäftsführer des DRK in Harburg. "Im Pflegedienst haben wir lediglich drei Zivis beschäftigt. Und die sind im Prinzip das Sahnehäubchen bei unserer Arbeit. Sie können das leisten, was unsere normalen Mitarbeiter nicht machen können. Nämlich mit den Menschen spazieren gehen oder einkaufen." Generell empfindet der Harburger die Einschränkung des Zivildienstes als einen Verlust für die Gesellschaft. "Die Erfahrungen in der sozialen Arbeit, die die jungen Männer als Zivis bei uns erlangen, ist eine große Bereicherung für ihr weiteres Leben. Aber bei sechs Monaten können wir das nicht mehr leisten."

Auch Anna Vaccaro-Jäger bewertet die Lage als extrem problematisch. Die Geschäftsführerin des Awo Kreisverbandes Harburg-Land sieht es als unmöglich an, dass die Zivis in solch kurzer Zeit eine enge Beziehung zu den ihnen anvertrauten Menschen aufbauen können. "Die jungen Männer arbeiten bei uns in den Kinderhorten und beim pädagogischen Mittagstisch. Sie üben dort besonders für die kleinen Jungen eine Vorbildfunktion aus", sagt Vaccaro-Jäger. "Aber die Kinder können kein Vertrauen aufbauen, wenn ein ständiger Wechsel bei ihren Betreuern stattfindet." Generell befürchtet die Geschäftsführerin, dass bei einer Verkürzung auf sechs Monate immer mehr Einrichtungen auf den Einsatz von Zivildienstleistenden verzichten werden. "Überall findet Arbeit an Menschen statt, und deshalb wird überall ein ständiger Wechsel der Zivis stören. Das ist nicht nur bei uns so."

Besonders betroffen von den weitereichenden Veränderungen werden auch die Elbe-Werkstätten sein, die an vier Standorten in Harburg vertreten sind. "In allen unseren Betrieben zusammen beschäftigen wir mindestens 60 Zivildienstleistende, die mit Behinderten arbeiten und damit eine anspruchsvolle Tätigkeit ausüben", sagt Geschäftsführer Jürgen Lütjens. "Neben der Zeit, die die jungen Männer aufgrund von Urlaub und Fortbildungen bei uns im Betrieb fehlen, müssen sie zu Beginn bei der Arbeit angeleitet werden. Effektiv bleiben da nur wenige Wochen an Arbeitszeit übrig." Besonders bei der Arbeit mit Behinderten sei eine enge persönliche Bindung wichtig. Schließlich würde man ihre Intimsphäre bei Toilettengängen, bei der Pflege oder der Hilfestellung beim Essen berühren. Lütjens sieht jedoch eine Möglichkeit, das Problem zu umgehen. "Einige Zivis bleiben derzeit auch deutlich länger bei uns als die neun Monate, die sie verpflichtend ableisten müssen. Wenn nun gleich von vorne herein klar ist, dass die jungen Männer ein Jahr bei uns bleiben, dann wäre eine Zusammenarbeit wieder denkbar."

Die Situation der sozialen Verbände und Initiativen in Lüneburg, die ihre Arbeit auf Zivildienstleistende stützen, ist stark von den Änderungen betroffen. Ernst-Albrecht von Moreau, der Geschäftsführer der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, sagt: "Sollten die angekündigten Änderungen so umgesetzt werden, stehen wir vor einem wirklichen Problem." Es bliebe der Einrichtung nichts anderes übrig, als in einigen Bereichen auf den Einsatz von Zivildienstleistenden zu verzichten - schließlich dürfe man auch die Betreuten nicht vergessen, denen eine gewisse Regelmäßigkeit geboten werden müsse.

Für Wolfgang Klose vom Kreisverband Lüneburg des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist klar: "Es kommt auf die Konditionen an, unter denen eine Verlängerung des Dienstes auf freiwilliger Basis möglich ist. Schlimmstenfalls müssen wir auch über einen völligen Ausstieg aus dem Zivildienst nachdenken."

Dies ist für Gabriele Wartig derzeit jedoch keine Option. "Generell auf Zivis zu verzichten, ist für uns nicht möglich, weil wir gar nicht wüssten, wie wir das auffangen sollten", sagt die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Stade. Derzeit seien insgesamt zwölf Zivildienstleistende bei der Einrichtung beschäftigt. Eine Verkürzung der Zeit würde die Zusammenarbeit mit den jungen Männern jedoch massiv erschweren. "Und dabei bin ich davon überzeugt, dass die Arbeit der Zivildienstleistenden nicht nur eine Bereicherung für die Gesellschaft ist, sondern auch der Berufsorientierung dient", so Wartig. "Für viele ist die Zeit des Zivildienstes nach dem Schulabschluss eine günstige Gelegenheit, um sich zu überlegen, wo der persönliche Weg hingehen soll. Auch dafür bleibt dann wesentlich weniger Zeit." Die Lebenshilfe Stade will nun erst einmal die Entwicklung abwarten, anstatt zu voreilige Entscheidungen bezüglich der weiteren Zusammenarbeit mit Zivildienstleistenden zu fällen.

"Die Entscheidung, die Dauer des Zivildienstes auf sechs Monate abzusenken, ist extrem übereilt", meint Eckehard Hagen, Pflegedienstdirektor des Elbklinikums Stade. "Die Leute, die dort eine Entscheidung fällen, haben keine Ahnung, was an der Basis passiert. Sie wissen gar nicht, in welchen Bereichen die Zivis eingesetzt werden und welche Voraussetzungen für eine sinnvolle Arbeit da sein müssen." Das Klinikum setzte die Zivis besonders im Bereich des Patientenbegleitdienstes ein. Auch Hagen sieht den Zivildienst als Möglichkeit der Berufsorientierung an, die bei einer Verkürzung gefährdet sein könnte. "Etwa zehn Prozent unserer Zivis finden Gefallen am Pflegeberuf und bleiben dabei", sagt der 60-Jährige. "Ich bin dafür das beste Beispiel."