Vom Kutscher zum Qualitätsgästeführer: Neue Wege fürs traditionelle Fahrgeschäft in der Heide.

Schneverdingen. Viele Heideurlauber sind unzufrieden - rund jeder Dritte ärgert sich über Gastronomie, Unterkunft oder Service. Diese alarmierende Nachricht - "das ist richtig schlecht, wir haben ein großes Problem" - brachte Benjamin Roolfs von der Lüneburger Heide GmbH mit zum Treffen der Heidekutscher ins Schneverdinger Camp Reinsehlen. Knapp 40 von ihnen unterzogen sich am Wochenende einer Schulung mit Zertifizierung und dem Abschluss als "Qualitätskutscher", 70 weitere frischten ihr vor zwei Jahren erworbenes Wissen auf. Die Botschaft des Tourismusexperten Roolfs richtete sich gezielt an die Kutscher: Auch "ein schlechtes Erlebnis auf der Kutsche" könne die Ferienfreude der Gäste trüben.

Deshalb beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Kriterien und der Vermarktung der "Qualitätskutscher" sowie mit Fragen der Dienstleistungsqualität. Den weitaus größten Raum der zweitägigen Schulung nahmen aber Themen wie "eine Landschaft und ihre Entstehung", "Heidebauernwirtschaft" oder "Regionaltypische Gebäude" ein, über die der Diplom-Biologe Jan Brockmann von der Alfred-Töpfer-Akademie referierte. Hier regte sich dann aber hinter vorgehaltener Hand auch Kritik: Die "heidetypischen Sachen" seien ja bekannt, die Kutscher besuchten den Kursus deshalb nur "widerwillig", so eine Betreiberin von Kutschfahrten. Die Gäste wollten häufig gar keine Erläuterungen hören, sie seien eher "genervt", wenn der Kutscher über die Sehenswürdigkeiten links und rechts der Strecke erzähle.

Das Hauptproblem sei aber die kurze Verweildauer der Besucher in der Heide: Lüneburg am Morgen, der Vogelpark Walsrode und ein Essen zwischendurch, dann noch mit der Kutsche nach Wilsede und schnell wieder zurück, um es bis zum Abend noch zum Musical nach Hamburg zu schaffen - das sei der Alltag.

Benjamin Roolfs sieht das anders: Die Gäste wollten unterhalten werden, auch sollten die Kutscher Infos über Essens- und Erlebnismöglichkeiten bereithalten. Die Fakten dazu vermittelten am Wochenende Fachleute wie Jan Brockmann. Die Heide biete Besonderes, und das sei es, "was die Gäste wollen", sagte er. Ob die Steingräber, die eben doch nicht von Riesen erbaut worden seien, die typische Heidelandschaft als Resultat der Eiszeit oder die Schwierigkeiten, die der karge Heideboden den Landwirten beschert - Brockmann nahm die Zuhörer mit auf einen "wilden Ritt durch die Heidegeschichte".

Mit dem erlernten Wissen sollen die Kutscher künftig den Gästen Wissenswertes und Erheiterndes über die Heide vermitteln können - mit dem Ziel, dass sie künftig nicht mehr zur Unzufriedenheit der Besucher beitragen. Wer an der Grundschulung und den jährlichen Aufbaukursen teilnimmt, soll sich von denen, die sich diesem Prozedere nicht unterziehen, abheben können - mit dem Aufkleber "Qualitätskutscher" am Fahrzeug, mit Namensschild und Weste. Auch eine Vermarktung im Internet kündigte Roolfs an, und die Veranstalter von Bustouren sowie Hoteliers sollten auf die qualifizierten Kutscher aufmerksam gemacht werden.

Damit nicht genug: Während der Saison will die Lüneburger Heide GmbH die Qualitätskutscher testen - unangemeldet und anonym: "Wir müssen prüfen, ob die Qualität stimmt, der Gast darf nicht enttäuscht werden." Die Gästezufriedenheit stehe "absolut im Vordergrund", so Roolfs, und davon profitierten ja dann auch wieder die Kutscher, die als "gut ausgebildete Gästeführer" auftreten sollten. Schließlich sei "keiner so lange mit den Gästen zusammen wie der Kutscher".