Live-Painting nennt die Künstlerin aus Eyendorf ihre Arbeit. Sie malt Menschen bei der Bewegung, um Magie des Augenblicks einzufangen.

Buchholz. Es ist laut. Die Bässe wummern aus den großen Boxen in der Nordheidehalle in Buchholz, während eine Formationstanzgruppe in bunten Kostümen über das Tanzparkett fegt, das aber an diesem Tag nur ein grünlicher Linoleumboden ist. Die Halle tobt, rhythmisch wird zu lateinamerikanischer Musik geklatscht, immer wieder bricht das Publikum in Jubel aus.

Nur eine Frau scheint sich nicht von der tosenden Atmosphäre stören zu lassen. Sie schaut gebannt auf die Tanzformation und lässt dann wie von selbst einen großen Pinsel über ihr Papier wandern. Schnell entsteht wie von selbst ein abstraktes Abbild eines Tanzpaares in einer Tanzfigur, die während des Auftritts dominiert. Besonders das bunte Kleid der Tänzerin sorgt für Wiedererkennungswert. "Ich bin voll drin in den Bewegungen, tanze innerlich mit", sagt Ute Spingler und streicht sich eine ihrer dunkelbraunen Locken aus dem Gesicht. "Ich male aus dem Bauch heraus, und der Pinsel tanzt wie von selbst über das Papier."

Sie nennt es Live-Painting. Menschen in Bewegung zu malen, ist ihre Passion. Besonders Motive von tanzenden Paaren haben es ihr angetan, "weil das Tanzen auch eins meiner größten Hobbys ist", so die Malerin aus Eyendorf. "Die Ästhetik, die Grazie, die Sinnlichkeit und der Sexappeal, der beim Latein dominiert, das ist es, was mich fasziniert." Und deshalb ist die 42-jährige Diplomdesignerin an fast jedem Wochenende in Norddeutschland unterwegs, um auf Tanzveranstaltungen ihren Pinsel tanzen zu lassen. Mit dabei hat sie immer ihre zwei großen Koffer, in denen sie ihre Utensilien aufbewahrt, sowie ihre großen Mappe. Auch bei Reitveranstaltungen ist sie dabei, um Pferd und Reiter während ihres Auftritts auf dem Papier festzuhalten.

Direkt nach Abschluss ihres Studiums in Bremen im Jahr 1994 hat sie mit dieser Arbeit angefangen, ist regelmäßig mit ihren Malutensilien unterwegs, um die Magie des Augenblicks, wie sie es nennt, einzufangen. Und das tut sie sehr konzentriert und sehr professionell an zwei großen Tischen am Rand des Tanzparketts. Ein freier Blick auf die Paare ist sehr wichtig, damit das Werk auch in den fünf Minuten, die ihr zum Malen zur Verfügung stehen, fertig wird. Und da kann es auch mal passieren, dass das Wasserglas zum Reinigen des Pinsels mit dem Kaffeebecher verwechselt wird. "Wenn ich hier in Aktion bin, dann kann so was passieren", sagt Ute Spingler und lacht, wendet sich dann aber sofort wieder den Tänzern und ihrem Werk zu. Die Bilder zeigen die Tanzpaare, gemalt mit Aquarellfarben auf dünnem Papier. Mit einem dunklen Stift bringt sie während des Malens ein wenig Struktur in das Bild. Trotz des abstrakten Stils sind die Paare deutlich wiederzuerkennen, nicht zuletzt aufgrund der dominanten Farben der Kleider der Sportler.

Und fast in dem Moment, in dem die Musik ausgeht und der Applaus losbricht, setzt Spingler ihre Signatur unter das Bild und legt sich bereits ein neues Blatt Papier vor sich hin, um startklar für den nächsten Tanz zu sein. "Einige Bilder werden in meinem Atelier von mir noch ein wenig ausgebessert, aber eigentlich ist gerade das Original direkt nach dem Tanz etwas ganz besonders", so die Künstlerin.

Und so kann ein Bild auch mal bis zu 350 Euro kosten, Bilder aus Kleinserien, die nach dem Tanzen mit Vorlage des Originals angefertigt werden, sind schon ab 35 Euro zu haben. "Bilder auf Leinwand sind natürlich noch teurer, aber das ist dann ja auch was ganz besonderes", sagt die 42-Jährige. Gekauft werden ihre Bilder meist von Freunden oder von der Familie der Tänzer. Und auch das Tanzpaar Johannes Richwin (17) und Lea Kuckartz (19) aus der Buchholzer Formationsmannschaft schauen sich begeistert "ihr Bild" an, stellen die Pose nach. Und wirklich Ute Spingler hat sie perfekt getroffen.