Unsere Großeltern mussten Unmengen auswendig lernen. In der Schule paukten sie Gedichte, Liedtexte, Geschichtszahlen, unzählige Flüsse, Gebirge und Städte, im Konfirmandenunterricht dann Bibelverse und Lieder aus dem Gesangbuch.

Noch als alte Leute konnten sie mehrstrophige Lieder ohne nachzuschlagen singen. Wenn wir murrten, weil wir viel üben mussten, wurde uns erklärt, dass das Auswendiglernen das Gedächtnis schult, und es uns später helfen würde.

Irgendwann einmal meinten die Pädagogen dann, das Auswendiglernen sei langweilig und sinnlos, da man doch alles nachschlagen könne. Also müssen Kinder in ihrer Schulzeit heute höchstens zwei oder drei Gedichte büffeln und noch ein paar geografische Fakten - je nach Strenge des Lehrers. Die Folge ist, dass sie auf der Landkarte Peru nach Afrika verlegen und die Oker für eine Farbe halten. Nur im Sprachunterricht müssen sie zum Glück noch Vokabeln lernen.

Die Lehrherren wundern sich dann, wenn ihre Auszubildende sich nicht einmal kleine Details merken können und statt der Säge die Feile bringen, oder in der Berufsschule kläglich versagen.

Vielleicht waren unsere Vorfahren gar nicht so dumm, und unser Gedächtnis funktioniert tatsächlich wie ein Muskel, der regelmäßig trainiert werden muss. Je besser er trainiert ist, desto besser und zuverlässiger arbeitet er.