Die Patienten Felix und Lyder stehen wacklig auf ihren Beinen, sie haben eine Spritze bekommen, um während der Behandlung ruhig zu bleiben, und dann geht es los.

Schneverdingen. Klaus Meyer (49) kontrolliert Schneide- und Backenzähne, korrigiert mit Spezialwerkzeugen das Gebiss.

Der Schneverdinger arbeitet als Pferdedentalpraktiker und ist überzeugt, dass viele gesundheitliche Probleme ihren Ursprung bei den Zähnen haben. Seit den Zeiten, als Wildpferde auf den Steppen zu Hause waren, habe sich das Futter grundlegend verändert, das Gebiss aber nicht. Die Folge: Die Schneidezähne werden kaum beansprucht und daher auch nicht abgenutzt und sind oft zu lang. So geht die Balance zwischen Schneide- und Backenzähnen sowie dem Kiefergelenk verloren, die Beweglichkeit von Ober- und Unterkiefer ist eingeschränkt.

Meyer ist einer, der es wissen muss. Er ist mit Pferden aufgewachsen, besitzt 50 dieser Tiere und betreibt im Schneverdinger Ortsteil Zahrensen eine Reit- und Fahrschule und einen Kutschbetrieb. Seine Kutschen, die Touristen gemütlich durch den Ort und die Heideflächen befördern, gehören in Schneverdingen zum Straßenbild. Meyer plädiert dafür, die Gesundheit des Pferdes "im Ganzen zu sehen". Er erkannte, dass viele Pferde Probleme mit den Zähnen haben, aber "nur ein gesundes Tier, das keine Schmerzen hat, lässt sich auch gut ausbilden."

Er lernte den kanadischen Pferdedentisten Louis Pequin kennen und absolvierte bei ihm eine Ausbildung zum Pferdezahnpfleger. Als er aus Kanada zurückkam, behandelte er zunächst seine eigenen Pferde, gewann aber auch schnell private Pferdebesitzer und Reitställe als Kunden. "Das war Neuland, das gab es fast noch gar nicht." Dabei sei die Pferdezahnpflege bereits seit dem 13. Jahrhundert bekannt gewesen, bis etwa 1950 sei Deutschland weltweit führend gewesen, doch dann sei dieses Spezialgebiet "komplett eingeschlafen".

Inzwischen sind Meyer und seine Kollegin Sabine Dünnwald aus Ottersberg bei Bremen in ganz Deutschland tätig. In den vergangenen sechseinhalb Jahren "haben wir schon einige tausend Behandlungen gemacht, das ist harte Arbeit", sagt Meyer. 3500 Pferdebesitzer umfasst die Kundschaft, sie müssen normalerweise sechs bis acht Wochen warten, nur Notfälle kommen früher dran. Mit dabei ist Tierärztin Anita Neufeldt (40) aus Schneverdingen.

Eine Zahnbehandlung sollte bei Pferden im Alter bis zu fünf Jahren alle sechs Monate erfolgen, bei älteren Tieren jedes Jahr, empfiehlt Meyer. Eine Grundrenovierung des Gebisses kostet 100 Euro, hinzu kommen dann allerdings noch die Kosten für das notwendige Beruhigungsmittel. Nach jeweils einer halben Stunde Behandlung haben Felix und Lyder es geschafft - die beiden nordeuropäischen Warmblutpferde dürfen zurück in den Stall und erst einmal ein paar Stunden schlafen.

www.pferdezahnpflege-nord.de