Das war ein unvergesslicher Eindruck: Auf dem Fischmarkt im Warnemünder Kutterhafen wollte eine Frau gerade in ein Fischbrötchen beißen.

Wie ein weißer Pfeil schoss eine große Ostsee-Möwe herab. Sie schnappte ihr den Leckerbissen aus der Hand und flog damit im eleganten Steilflug auf einen Duckdalben.

Mir fällt diese Szene wieder ein, weil ich vom Schreibtisch zuschaue, wie Kinder draußen Brotstücke in die Luft werfen, um Möwen zu füttern. Die Möwen fliegen über den Kindern im Kreis und fangen die Happen blitzschnell im Flug. Manchmal bremst eine schräg über den Brotwerfern, flattert auf der Stelle und fängt geschickt den gerade geworfenen Bissen. Verfehlt sie ihn, stürzt sie kopfüber hinterher und erwischt ihn kurz vor dem Boden. Schleudert jemand das Brotstück ein wenig zu hoch, vollbringt manche Möwe eine artistische Glanzleistung: Sie wirft sich im Flug nach hinten, um die Beute im Salto rückwärts mit dem Schnabel zu schnappen. Ist es Hunger, der die Vögel zu solcher Luftakrobatik antreibt? Oder ist es lustvolle Demonstration ihrer Flugtechnik? Manchmal habe ich den Eindruck, sie verwandeln die Notwendigkeit des Fressens in einen sportlichen Spaß voller Lebensfreude. Dieses elegante und ästhetische Zusammenspiel von Aerodynamik und kreatürlichem Trieb ist ein faszinierendes Schauspiel. Typisch menschlich, diese Gedanken, nicht wahr? Für die Möwen ist es Alltag.