Im Laufe der Jahre haben sich die Mitglieder neue Ziele gesteckt. Hausaufgabenhilfe ist nur eines davon.

Marmstorf. Neun Fachwerkhäuser gibt es noch in Marmstorf, meist mit Stallgebäuden und großen Innenhöfen. Wer rund um den Dorfteich spazieren geht, den nimmt die idyllische dörfliche Atmosphäre gefangen.

Auch Heidi Willems (64) lebt in einem der schmucken Fachwerkhäuser - ein passendes Domizil für die Chefin des Marmstorfer Landfrauenverbands, der kürzlich sein 50-jähriges Bestehen feierte. "Das ist für viele sehr erstaunlich, dass wir hier in einem städtischen Umfeld, in dem es längst keine Bauern mehr gibt, einen Landfrauenverband haben", sagt sie. Kein Wunder also, dass sich unter den 86 Mitstreiterinnen keine Bäuerin findet, wohl aber Bürokräfte, Ehefrauen von Handwerkern und Bäckern sowie Angestellte der Handelskammer.

Willems: "Darin unterscheiden wir uns schon von anderen Verbänden in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein." Und auch die Motivation vieler Mitglieder, bei den Marmstorfer Landfrauen mitzumischen, ist eine andere: "Landfrauen kennen sich üblicherweise schon aus der Kindheit und arbeiten meist noch aktiv auf den Höfen mit. Auf den Dörfern gehört es einfach dazu, Landfrau zu sein. Das ist bei uns nicht so selbstverständlich." Viele der Landfrauen sind "Zugezogene" in Marmstorf. Sie sind in den Verband eingetreten, um Kontakte im neuen Umfeld zu knüpfen. "Hier gibt es zwei Extreme. Entweder man bringt sich aktiv ein, oder man bleibt alleine und lebt in der typischen städtischen Anonymität", sagt Heidi Willems. Sie weiß, wovon sie spricht. Vor zehn Jahren ist sie selbst nach Marmstorf gezogen. Sie hat bei den Landfrauen schnell Anschluss gefunden, seit 2008 ist sie Vorsitzende des Ortsvereins.

Nicht immer war es für Frauen aus allen Berufssparten so einfach, in den Verband einzutreten. 1960, als sich die Marmstorfer Landfrauen erstmals zusammenfanden, durften nur Frauen dem Ortsverein beitreten, die aus einem landwirtschaftlichen Betrieb kamen. Hauptziel des Veranstaltungsprogramms war die Aus- und Fortbildung in der ländlichen Hauswirtschaft. So erfuhren die Marmstorferinnen unter anderem Wissenwertes über neue Haushaltsgeräte und über das Einfrieren von Lebensmitteln. Man traf sich in den Häusern der Mitglieder zum Erfahrungsaustausch.

Erst 1978 wurden die strengen Aufnahmeregeln gelockert. Seitdem haben auch Frauen aus anderen Berufssparten Zutritt zum Ortsverein - und Vorträge über Kommunikationsstrategien und Boßeln in Jork stehen nun auf dem Veranstaltungskalender. Viel hat sich verändert. "Die Marmstorfer Landfrauen setzen andere Schwerpunkte in ihrem Leben. Sie treffen sich nicht ausschließlich zum Kaffeekränzchen, sondern wollen sich aktiv in die Gesellschaft einbringen", sagt Willems. So bietet sie mit ihren Kolleginnen Hausaufgabenhilfe für Grundschüler mit Migrationshintergrund an. Eine Aufgabe, die nicht immer ganz leicht für die Frauen ist. "Die Lütten kommen aus einem anderen Kulturkreis, haben andere Werte kennengelernt. Einige müssen ihre Sprachkenntnisse verbessern. Da prallen schon Welten aufeinander." Das seien eben keine typischen Landkinder, die in ihrer Freizeit im Wald unterwegs sind und dort spielen. "Die kennen nur ihren tristen Wohnblock, lernen ihr Umfeld nicht kennen und machen wenige Erfahrungen in der Natur."

Deshalb hat die Landfrau kürzlich einige ihrer Schützlinge zu einem Schneespaziergang durchs Appelbütteler Tal eingeladen. "Die Kleinen haben so viel Freude daran gehabt, haben mit großen Augen die Tierspuren im Schnee betrachtet ", schwärmt Willems. Es soll nicht die einzige Tour bleiben. Willems möchte auch die Eltern der Kinder besser kennenlernen, benötigt dazu jedoch eine Dolmetscherin. "Noch so eine Besonderheit, mit der sich Landfrauen aus anderen Verbänden nicht beschäftigen müssen." Trotz der Sprachbarrieren sollen die Mütter und Väter erfahren, "dass wir ihre Sprösslinge nicht nur eine Stunde länger in der Schule halten, sondern dass die mit uns wichtige Dinge lernen können."

Und damit meint Willems die Vermittlung eines Lebensgefühls. "Naturverbundenheit, Disziplin, Werte - das finde ich wichtig." Mit dieser Einstellung unterscheiden sich die Marmstorfer Landfrauen nicht von ihren Kolleginnen aus den umliegenden Dörfern. "Das Umfeld, in dem wir tätig sind, ist allerdings ein anderes. Es gibt mehr Herausforderungen bei dem Ziel, Tradition und Moderne zusammenzubringen."

Dazu gehört auch, dass Willems versuchen will, jüngere Frauen für den Verein zu gewinnen. Ebenfalls keine leichte Aufgabe. "Junge Frauen sind heutzutage sehr eingebunden in Beruf und Familie. Aber vielleicht wollen einige ja trotzdem mit uns für Marmstorf etwas tun. Es ist spannend und lohnt sich."

Wer sich bei den Marmstorfer Landfrauen engagieren möchte, kann mit Heidi Willems, Telefon 040/760 50 79 Kontakt aufnehmen.