Die Stimme von Buchholz ist erst 20 Jahre alt. Mit Strubbelhaar, angenehmem Timbre und der nötigen Routine bringt Tim Drost jeden Tag Neuigkeiten unters Volk.

Buchholz. Dafür muss der Schüler nur kurz auf die Computermaus klicken, den Seriösititsmodus in seiner Stimme anstellen und nachrichtliche Sätze in ein rotes Mikrofon sprechen. Denn Tim ist so etwas wie der Claus Kleber von Buchholz. Er verkündet die News aus der Nordheide, ist Nachrichtensprecher bei Buchholz FM, dem lokalen Internetradio.

Knarzen, Schnarren und Rauschen waren gestern. Störgeräusche gibt es beim digitalen Radio nicht. Der Internetdienst ist eher anfällig für die Tücken des Computerzeitalters - Rechnerabsturz oder überlastete Server. Doch Buchholz FM ist bisher verschont geblieben, ist seit April unterbrechungsfrei "on Air". Weltweit zu empfangen, 24 Stunden am Tag. Nach knapp einem Jahr fällt die Bilanz des Radiobetreibers Dirk Rennekamp (49) dementsprechend positiv aus. 35 bis 40 Freiwillige gestalten das abwechslungsreiche Programm. Von der Sportberichterstattung über Nachrichten bis hin zur derben Punkrockshow "Remmidemmi" reicht das Spektrum. Neben der stilistisch sehr gemischten Musikschleife wird 40 Stunden pro Woche live moderiert.

"Unser ältester Moderator ist Ende 60, der jüngste erst 13 Jahre alt", sagt Dirk Rennekamp. Der Unternehmer habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, einen Radiosender für Buchholz zu etablieren. Im Jahr 2009 setzte er seinen Plan um. Mit einem Startkapital von 20 000 Euro schaffte Rennekamp die Technik an, sicherte sich die Internetseite www.buchholz.fm und rekrutierte Menschen, die in ihrer Freizeit Radio machen wollen. Aus anfangs vier Mitstreitern formte er das schlagkräftige Team, das seither 10 000 Sendestunden über den virtuellen Äther jagte. Grundgedanke des Radios war, sachlich und zeitnah aus der Nordheide zu berichten.

Beiträge vom Stadtfest, aus der Empore oder die Live-Berichte vom Oberligisten Buchholz 08 unterstreichen diesen Anspruch. "Und die Resonanz der Hörer ist durchweg gut", sagt Rennekamp. Im Mittel würden 30 bis 40 Internetnutzer zuhören, manchmal kämen sogar Musikwünsche aus den USA oder dem Iran. Maximal 120 Hörer könnten gleichzeitig auf die Seite zugreifen. Außerdem ist Buchholz FM über Internetradios zu empfangen, die aussehen wie ganz normale Radios. Nur haben sie eine um ein Vielfaches höhere Reichweite. "Etwa 60 000 Internetradios gibt es weltweit", sagt Rennekamp.

Im Gegensatz zu anderen Sendern sei Buchholz FM nicht als Spartensender angelegt. Ob Jazz, Pop oder Rock - alles wird gespielt. Die einzige Sparte ist: Buchholz. "Darum gibt es in jeder Stunde mindestens einen Song von einer Band aus der Nordheide", so der Radiobetreiber.

Die Kompetenz bei klassischer Musik sei noch ausbaufähig, aber Sendungen wie "Kraftrille" (Rock), "Filmriss" (Kinonews) und "Öfter mal was Neues", die Uwe Zimmermann, ehemaliger Plattenladenbesitzer in Kalifornien, mit ausgefallener Musik bestückt, decken die komplette Hörerwunschpalette ab. Rennekamp selbst widmet sich in "Buchholz am Abend" dem aktuellen Zeitgeschehen seiner Heimatstadt. Was passiert in Verwaltung, Politik und Kultur - Dirk, wie er sich im Radio nennt, sendet es.

"Weil wir das alle nebenher machen, ist es nicht so einfach, journalistisch zu arbeiten. Aber mein Ziel ist: pluralistische Informationen aus Buchholz", sagt Rennekamp. "Bisher stammen die Nachrichten von mir, von Agenturen, aus dem Internet oder direkt von der Polizei." Deshalb suche Buchholz FM weiterhin Freiwillige, die mitmachen wollen. Auch Techniker und Werbekunden, die kleine Spots senden, will Rennekamp zusammen mit dem Marketing-Beauftragten des Senders, Michael Mosebach, akquirieren. Wer Interesse hat, kann sich unter 04181/3 66 74 melden. Es ist der etwas andere Weg, bekannt zu werden.

Und überhaupt: Bei diesem Radiosender ist einiges etwas anders. So sucht man im Studio vergebens nach Mischpulten - Tastatur und Maus reichen völlig. Dieser überschaubare Technikaufwand ermöglicht sogar den Betrieb aus dem heimischen Wohnzimmer, von wo etwa ein Drittel der Sendungen tatsächlich kommt. Und so spricht Tim Drost, der Claus Kleber von Buchholz, seine Nachrichtentexte morgens vor der Schule ein, statt sie in langen Redaktionskonferenzen zu üben. Und weil eben alles etwas anders ist, möchte Tim zwar dem Internetradio treu bleiben, hauptberuflich aber in die Film- und Fernsehbranche einsteigen.

Die Claus-Kleber-Nachfolge ist also nicht ausgeschlossen. Zumindest kann es Tim mit seinen Vorkenntnissen aber zu einer kleinen Berühmtheit bringen, wie einer der treuesten Fans von Buchholz FM: Das sei nämlich niemand geringeres als Radio-Hamburg-Moderator John Ment.

www.buchholz.fm