Anke und David Dieterle haben heute 600 Schüler aller Altersgruppen und denken jetzt über räumliche Veränderungen nach.

Harburg. Als die Geschwister Anke (42) und David Dieterle (37) vor zehn Jahren in der ehemaligen Intendanz des Altonaer und Harburger Theaters am Küchgarten ihre Akademie Hamburg für Musik und Kultur eröffneten, wurden sie von vielen Harburgern noch belächelt: "Wofür braucht der Arbeiterstadtteil Harburg denn bitte schön eine Musikakademie?", bekamen die beiden zu hören.

Mit nur 15 Schülern fingen die Dieterles nach der Jahrtausendwende an; Unterricht erteilten ein Klavierlehrer, ein Gitarrenlehrer, ein Saxofon- und Klarinettenlehrer - Ankes Ehemann Frank Meiller (47) - und das Geschwisterpaar: Anke unterrichtet Cello und David Geige und Bratsche. Niemand konnte damals ahnen, welche Erfolgsgeschichte sich in den nächsten zehn Jahren entwickeln würde.

In dieser Woche feiert die Akademie ihr erstes zweistelliges Jubiläum. Die Räume im Küchgarten, der heute nach dem langjährigen Altonaer Intendanten Hans-Fitze-Straße heißt, sind schon lange viel zu klein geworden. Mittlerweile residiert die Akademie in einem Wohnhaus am Großen Schippsee 36 - und auch diese Adresse platzt schon aus allen Nähten: 600 Schüler im Alter von zwei bis 75 Jahren bekommen hier Unterricht von 35 Dozenten. Und das Programm ist deutlich gewachsen: So werden auch Kontrabass, Oboe, Fagott, Gambe und das türkische Instrument Baglama gelehrt. Es gibt Unterricht in Alter Musik, Jazz, Flamenco, Tango und Neuer Musik. Und wer seine Stimme in Pop-Musik schulen möchte, findet hier auch ein Angebot. So kosten 45 Minuten Einzelunterricht monatlich 86 Euro, die musikalische Früherziehung 30 Euro.

Sicherlich wirkt in Harburg kein Duo, das sich so nachhaltig und professionell für die Musik einsetzt wie die Geschwister Dieterle. Beide haben maßgeblich zum Erfolg des Projektes "Jedem Kind ein Instrument" beigetragen, das in Hamburg mittlerweile an mehr als 60 Schulen Einzug gehalten hat. David und Anke haben im Auftrag der Hochschule für Musik und Theater Hamburg gemeinsam mit drei Professoren die Unterrichtsmaterialien entworfen, die in zwei Bänden im Carus Verlag erschienen sind. "Es geht darum, Erstklässler spielerisch und fantasievoll an Instrumente heranzuführen", sagt Anke Dieterle. "sei es mit Geschichten, Bildern und Liedern, Horchen und Lauschen."

Dass "Jedem Kind ein Instrument" Erfolg hat, zeigen die Drittklässler der Schule Maretstraße in Harburg. Dort spielen 60 Kinder einmal in der Woche eine Stunde auf Geigen, Klarinetten, Flöten, dem Klavier und der Gitarre. "Das sind fast alles Kinder, denen die Eltern sonst niemals erlauben würden, Musikunterricht zu nehmen", sagt Anke Dieterle. Aber auch sonst hat Harburgs musikalisches Geschwisterpaar einiges vorzuweisen: Anke leitet seit kurzem den Hamburger Landesausschuss von "Jugend musiziert". Und David leitet seit fünf Jahren das SymphonING-Orchester der Technischen Universität Hamburg-Harburg.

"Da kommen Studenten, Mitarbeiter, Dozenten und Professoren und erarbeiten sich ohne Berührungsängste große Werke der Musikliteratur", sagt David Dieterle. "Mich reizt diese Arbeit sehr, weil dieses Orchester nicht wie viele Berufsorchester mit geschäftsmäßiger Routine musizieren. Wir spielen Beethoven nicht mit dickem Ton und fetten Vibrato."

Die Dieterles sind schon früh mit Musik in Berührung gekommen. "Unsere Mutter spielte den ganzen Tag lang auf dem Klavier, und wir haben dazu geflötet, getrommelt und gesungen", sagt Anke Dieterle. Später fanden die beiden ihr Instrument: Anke studierte Cello auf der Hochschule für Musik und Theater in Hannover und David Viola, Alte Musik und Weltmusik an der Folkwang Hochschule Essen und am Rotterdams Conservatorium in den Niederlanden.

Und auch ihre eigenen Kinder zeigen musikalische Wurzeln: Ankes Tochter Hannah (9) spielt Klavier und Geige, Rahel (7) und Ruben (5) spielen wie die Mama Cello. Davids Kinder Julen (6) und Amaia (4) singen viel "und improvisieren auf Schlaginstrumenten und Xylophonen, die bei uns zu Hause herumliegen". Es geht gerade bei kleineren Kindern nicht um "richtig oder falsch", wenn sie auf einem Instrument spielen, sondern "um Klänge, Rhythmen und Sprache", sagen die Dieterles.

"Musik", lautet Ankes Credo, "macht klug und sozial kompetent, das haben Studien bewiesen. Wenn meine älteste Tochter genervt ist, dann schaltet sie nicht den Fernseher an, sondern geht ans Klavier und spielt. Das ist ihr Ventil, ihre musikalische Welt, in die sie sich zurückziehen kann."

Anke und David Dieterle sind derweil auf der Suche nach größeren Räumen - sie rechnen bald mit 1000 Schülern in ihrer Akademie und haben bereits das Balatros-Gebäude an der B 73 ins Visier genommen. Ihr Plan: Aus dem denkmalgeschützten Gebäude soll ein Kulturhaus mit Akademie, Kindergarten, Instrumentenbauwerkstatt, Café und Veranstaltungsraum werden. "Aber um das zu stemmen, bräuchten wir einen Investor."