Er ist schon sagenumwoben, dieser Professor Ludwig Kaltenburg, der die Studie “Urformen der Angst“ schrieb.

Autor Marcel Beyer lässt Kaltenburgs Schüler Hermann Funk sich an den berühmten Vogelkundler erinnern und nutzt das als Gelegenheit, in seinem Roman "Kaltenburg" um einiges Federgetier - Mauersegler, Dohlen, Fink und Star - eine Zeit- und Erinnerungsgeschichte zu spinnen.

Sein Ich-Erzähler Funk kommt anlässlich des Besuchs einer Dolmetscherin, die Vogelnamen lernen muss, nämlich mehr und mehr ins Plaudern und erinnert sich an seinen schrägen Lehrer Ludwig Kaltenburg, was zugleich zu einem Ritt durch die deutsche Geschichte, ja einem Lehrstück in jüngerer Geschichte wird. Die Vögel natürlich immer dabei: Manchmal fallen sie unter der Bombardierung Dresdens in diesem Roman vom Himmel, dann wieder verhalten sich Menschen und Affen in Todes- und Verlustangst in einer Bombennacht fast identisch. Urformen der Angst eben. Das 20. Jahrhundert, und vor allem seine düsteren Seiten, ziehen, gespickt mit zoologischen Anekdoten, an uns vorbei. Ein skurriler Coup von Erfolgsautor Marcel Beyer. Obwohl sich Beyer bei allen seinen Stärken als Erzähler schon einmal herausnimmt, scheinbar ziellos und ohne präzisen Fokus, ja fast ein bisschen farblos zu erzählen. Das Geschichtsstück entwickelt trotzdem Sog und braucht als Hörbuch bei vier CD s auch ein wenig Muße. Marcel Beyer, Kaltenburg. Hörbuch bei Hoffmann und Campe, 27,95 Euro.