Nur, wer keine andere Wahl hat, ist bei diesen Straßen- und Wetterverhältnissen noch mit dem Fahrrad unterwegs.

Die Minusgrade kneifen dem Extremradler fast die Nase ab, dicke Ski-Handschuhe schützen die Finger vor Erfrierungen, und trotz der Sturzgefahr auf Schnee und Eis muss der Fahrradhelm zu Hause bleiben, weil er nicht über die dicke Wollmütze passte. Kaum ein Radweg ist geräumt, man radelt auf der Fahrbahn und rutscht in den Nebenstraßen mit den Autos um die Wette.

Ich spreche aus Erfahrung, denn ich komme gerade vom Bäcker, natürlich mit dem Fahrrad. "Bist du wahnsinnig geworden?", hatte meine Frau mir noch nachgerufen, als sie mich beim Blick aus dem Küchenfenster davonradeln sah. Unterwegs traf ich andere Wahnsinnige, zum Beispiel meinen Nachbarn Herbert. Er stieg zu einem Klönschnack ab und wäre dabei fast lang hingeschlagen. "Siehst du, deshalb nehme ich das Fahrrad, zum Laufen ist es zu glatt", sagte er. Das kam mir vor wie die Logik des volltrunkenen Autofahrers, der sich ans Steuer setzt, weil er nicht mehr laufen kann.

Als ich mit heilen Knochen und mit den Brötchen zu Hause ankam, murmelte meine Frau etwas von beginnendem Altersstarrsinn. Kurze Zeit später kam unsere junge Postbotin mit ihrem schwer bepackten gelben Drahtesel angeradelt. "Hältst du die etwa auch für altersstarrsinnig?", fragte ich. "Nein, aber eine so junge Frau ist doch viel geschickter und beweglicher als du", bekam ich zu hören. Vielleicht kaufe ich mir im nächsten Winter ein Dreirad, damit diese blöden Streitereien aufhören.