Die heimelige, behagliche Atmosphäre zum Weihnachtsfest lieben aber alle.

Harburg. Die weihnachtliche Atmosphäre genießen sie eigentlich alle. Den Zimt- und Tannengeruch, der seit Wochen ständig in der Luft liegt. Die vielen Lichter, die in den Fenstern der Häuser und in der Innenstadt für eine behagliche Stimmung sorgen. Und natürlich das besinnliche Ambiente, das auf Weihnachtsmärkten und Adventsfeiern verbreitet wird. Und dabei ist es ganz egal, welcher Glaubensrichtung viele Kinder und Jugendlichen im multikulturellen Harburg angehören. Mitgerissen von Freunden, Mitschülern und Nachbarn empfinden sie den Advent und das Weihnachtsfest als eine ganz besondere Zeit, auch wenn die Geburt des Jesuskindes in ihren Religionen keine Rolle spielt.

Besonders deutlich wird das in der achten Klasse des Lessing-Gymnasiums in Harburg. 70 Prozent der Schüler besitzen einen Migrationshintergrund. Das hat zur Folge, dass nahezu jede einzelne Familie das Weihnachtsfest anders begeht. "Ich lebe in einer muslimischen Familie, und obwohl es ein christliches Fest ist, schenken wir uns gegenseitig etwas", sagt die 13 Jahre alte Dilara Özen. "In der Schule machen wir Julklapp und im Schulgebäude ist ein Weihnachtsbaum aufgestellt. Man wird also ständig an das Fest erinnert." Cigdem Barut, auch Muslima, wird das Weihnachtsfest gemeinsam mit der deutschen Familie einer Freundin verbringen. "Ich finde es spannend einmal zu erfahren, wie das Fest traditionelle gefeiert wird", so die 13-Jährige. "Und deshalb nehme ich das Angebot meiner Freundin dankend an."

Nicole Appel reist Weihnachten nach Russland zu ihrer Familie. Dort wird nach russisch-orthodoxem Brauch das Fest begangen. "Weihnachten heißt dort, ganz viel zu feiern", erklärt die junge Harburgerin. "Bei uns ist aber der 31. Dezember der wichtigste Feiertag - er steht bei uns über dem Heiligen Abend." In der Familie von Lucy Hilgers wird das Weihnachtsfest nicht gefeiert, denn sie gehört den Zeugen Jehovas an. "Wir genießen die freien Tage, indem wir gemeinsam mit der Familie essen und Dinge machen, für die wir sonst keine Zeit haben", sagt sie. "Bei uns steht der Todestag von Jesus im Mittelpunkt der religiösen Feste. Und der wird im Frühling gefeiert."

Besonders überrascht war die Schulklasse über die Weihnachtsbräuche, von denen ihr Mitschüler Asef Nowak berichtet. "Bei uns wird nach polnischer Tradition gefeiert", sagt der 14-Jährige. "Am 24. Dezember gibt es bei uns zu Hause insgesamt 13 verschiedene Gerichte, weil es 13 Apostel gibt. Und es muss mindestens einmal Fisch dabei sein." Besonders viel Erstaunen weckte der Brauch, dass ein Teller am Tisch unbenutzt bleiben wird. "Der ist symbolisch für Jesus gedacht", erklärt der Jugendliche. Für Alena Deljic ist das Weihnachtsfest nur eines unter vielen im ganzen Jahr. "Meine Mutter ist Muslimin, mein Vater gehört dem katholischen Glauben an", sagt sie. "Und da haben wir uns irgendwann mal dafür entschieden, dass wir alle Feste feiern - was aber auf die Dauer ganz schön anstrengend ist." Ihr Mitschüler Ali-Tarik stimmt Alena zu. "Im Islam gibt es sehr, sehr viel Feste, da muss ich nicht noch Weihnachten feiern", sagt der 13-Jährige. Trotzdem genießt er in jedem Jahr wieder die weihnachtliche Atmosphäre und die freien Tage, die ihm das christliche Fest beschert.

Für Aischarya Brahma aus Indien ist die Weihnachtszeit in Deutschland die schönste Zeit des Jahres. Die Studentin nimmt an einem internationalen Masterprogramm an der Technischen Universität in Harburg teil und reist extra erst am ersten Weihnachtstag in ihre Heimat, um die Adventszeit mit ihren Freunden in Hamburg zu genießen. "Zimtsterne backen, Weihnachtslieder in der Kirche singen, Geschenke für meine Freunde kaufen - all das habe ich in den vergangenen Wochen sehr genossen", sagt die Inderin glücklich. Bereits im vergangenen Jahr hat die junge Frau Weihnachten in Deutschland miterlebt und ist seitdem davon überzeugt, dass es das schönste aller christlichen Feste ist, das sie selbst als Hindu gerne miterlebt. "Und wenn dann, wie jetzt, Schnee liegt, ist das Fest perfekt", so die Inderin. "Denn Weihnachten gibt es auch in meiner Heimat Indien, aber eben kein richtiges Weihnachten mit Schnee."