Nach Vorstand Bernd Menzel soll die Produktion ab Ende März am neuen Standort laufen. Derzeit arbeiten noch etwa 100 Beschäftigte in Harburg.

Harburg/Lüneburg. Bankenkrise, Wirtschaftskrise. Ungünstiger hätte der eigentlich auf Anfang dieses Jahres gelegte Umzugstermin der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie Aktiengesellschaft (NYH AG) nicht fallen können. Die Finanzdecke des 1871 in Barmbek gegründeten Unternehmens, das seit gut 80 Jahren seinen Stammsitz in Harburg hat und in einen Neubau ins Lüneburger Industriegebiet an der Otto-Brenner-Straße wechseln wollte, war nur dünn. Banken und Sparkassen waren trotz einer Landesbürgschaft plötzlich nicht mehr risikobereit, zahlten benötigte 2,5 Millionen Euro nicht aus. Unternehmensvorstand Bernd Menzel (47) fürchtete, ein Insolvenzverfahren könnte der noch 160 Mitarbeiter zählenden Firma das Genick brechen. "Unsere Zukunft stand auf Messers Schneide", sagt Menzel, "und diese Schneide war verdammt dünn." Inzwischen ist der Tiefpunkt überwunden, und Menzel spricht bereits davon, das Licht am Ende des Tunnels sehen zu können. Viele glückliche Umstände spielten schließlich eine Rolle. Kunden und Lieferanten machten die Gratwanderung mit, streckten unter anderem die Zeit bei Lieferterminen oder beim Begleichen der Rechnungen. Menzel, der 1998 als Vermögensverwalter zusammen mit dem Immobilienunternehmer Albert Büll und weiteren Investoren, die Aktienmehrheit der New-York Hamburger von der hessischen Elikraft erworben hatte, brachte auch jetzt mit Hilfe privater Geldgeber und der ans Unternehmen gebundenen Tacitus Capital Aktiengesellschaft (sie verwaltet die Markenrechte der Kamm- und Haarpflege Produktlinien "Herkules Sägemann", "Matador", "Triumph Master") die benötigten 2,5 Millionen Euro zusammen. Menzel: "Inzwischen wird auch die Bürgschaft der Stadt Lüneburg über 500 000 Euro formuliert."

Seit vergangenem Monat sind auf dem Neubaugelände an der Otto-Brenner-Straße die bis dahin ruhenden Arbeiten von Handwerkern wieder aufgenommen worden. Ver- und Entsorgungsleitungen für Wasser, Strom, Druckluft, Gase werden in die künftigen Produktionshallen gelegt. Drei moderne, von Computern gesteuerte Vulkanisieröfen sind bereits aufgestellt.

Derzeit arbeiten etwa 100 NYH-Beschäftigte noch in Harburg und 60 in Lüneburg. Zum Jahresende wird die Fabrikation für den Umzug von Maschinen und Produktionsanlagen ruhen. Einige Mitarbeiter haben noch Kurzarbeit, andere nehmen Resturlaub. Anfang 2010 soll die Produktion zum Großteil in Lüneburg anlaufen. Bis März 2010 soll der Umzug komplett abgeschlossen sein. Der Neubau in Lüneburg kostet rund zwölf Millionen Euro. Dazu steuert das Land etwa zwei Millionen Euro bei. Das an den Elbe-Seitenkanal angrenzende Betriebsgrundstück hat eine Größe von 40 000 Quadratmeter, die Produktionshallen zählen 10 000 Quadratmeter und der Verwaltungsbau 500 Quadratmeter.

In der Krise habe die New-York Hamburger eine Bereinigung erfahren, sagt Menzel, und erklärt, er sehe die Kompetenz der Menschen an den Maschinen: "Für hoch bezahlte Führungskräfte ist wenig Platz." Abstimmungen erfolgten auf dem kurzen, direkten Weg zwischen ihm und den Mitarbeitern. Werner Tschense (52), Betriebsratsvorsitzender und Mitglied im Aufsichtsrat: "Herr Menzel ist ein Glücksfall für die New-York Hamburger." Menzel hatte erst im März den Vorstandsvorsitz übernommen. Vorgänger Stefan Ebert, gab nach zwei Monaten auf. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hatten Walter Stute-Schlamme und Peter Swienty das Traditionsunternehmen nicht auf Wachstumskurs bringen können. Tschense: "Wir müssen wachsen, und wir werden wachsen."

Rund 20 Millionen Euro Umsatz weist die Unternehmensbilanz für das vergangene Jahr aus, daran hat die Kammproduktion/Haarpflege einen Anteil von sieben Millionen Euro. Auf dieser tragenden Säule liegt ein besonderer Entwicklungsschwerpunkt. Menzel: "Wir sind weltgrößter Hersteller von Kämmen aus Naturkautschuk. Die Produkte sind einzigartig und unsere Mitarbeiter sind Experten." Die New-York Hamburger ist als Spezialist für Kunststoff-Metallverbindungen auch mit einer eigenen Produktionsstätte für Lenksäulen-Teile im Harburger Mercedes-Werk vertreten. Außerdem werden Kautschuk-Schlauchformteile für die Firma Stihl gefertigt oder auch Kunststoff-Pressteile für Fahrzeug-Innenverkleidungen im Auftrag der auch in Lüneburg ansässigen Firma Johnson Controls.