Sie kommen aus der Ferne und kochen schon seit vielen Jahren für uns. Wie viel Heimweh steckt in den Männern am Herd? Oder sind sie zu den Feiertagen deutscher als wir? Wir haben drei Küchenchefs besucht.

Momento di ...

Harburg/Stelle. Wer Thirukethesswaran Karalasingam heißt, braucht viel Geduld beim Unterschreiben oder einen Künstlernamen: Kethess, der Kochkünstler.

Der Mann aus Sri Lanka begann vor vielen Jahren als Tellerwäscher in Buxtehude und gehört mittlerweile zu den Spitzenköchen südlich der Elbe. Er arbeitete mit Eckard Witzigmann, war Souschef im Rive und leitete die Küche im D.O.C. am Jungfernstieg. Am 1. April 2009 eröffnete er sein erstes eigenes Restaurant im Harburger Binnenhafen, das "Momento di...". Das lag zeitweise im Dornröschenschlaf und glänzt fortan mit internationaler Küche - italienisch inspiriert, industriell inszeniert.

Kethees empfängt seine Gäste in den schick renovierten Räumlichkeiten eines alten Getreidespeichers. 1984 kam der Tamile als Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland. In Sri Lanka wollte er Lehrer werden. Sein Fachabitur in Mathe hilft ihm heute höchstens bei der Kalkulation seiner Speisen. "Wir arbeiten kostendeckend, aber noch nicht gewinnbringend", zieht er ein erstes Fazit. Die Zeiten sind schwierig, doch er bleibt optimistisch: "Ich liebe Herausforderungen!" Mit Frau und zwei Kindern wohnt er in Buxtehude. "Die Nachbarn sagten, ich sei mittlerweile ein Vorbilddeutscher: korrekt, ehrgeizig, nie aufgebend."

Die Gerichte im "Momento di..." wechseln täglich, gekocht wird nach Marktlage und Saison. Ich esse vorweg eine getrüffelte Selleriecremesuppe mit Jakobsmuscheln (7,40 Euro), und weil Trüffel so ein schönes Aroma verbreiten, hinterher gleich die Tagliatelle mit frisch gehobeltem Wintertrüffel (16,50 Euro). Ein weiterer Höhepunkt: Weißer Heilbutt mit Rote-Bete-Kartoffelpüree und Meerrettichschaum (21,50 Euro). Mittags brummt das Geschäft, abends braucht es noch Unterstützung. Dafür lockt Kethees im Januar und Februar 2010 mit einem sehr gastfreundlich kalkulierten Überraschungsmenü. Zwei Personen genießen vier Gänge, je ein Glas Prosecco und zahlen am Ende zusammen

39 Euro. Weihnachten und Silvester hat er seiner Mannschaft übrigens frei gegeben und kocht Heiligabend mal für die Familie. Danach gehen sie in eine deutsche Kirche. Für Hindus wie Kethess alles kein Problem.

Meson Galicia

Es war etwas still geworden um Familie Barreiro aus La Coruña. Früher wurde ihr Restaurant im Harburger Phoenix-Viertel regelmäßig zu den besten Spaniern der Stadt gezählt. Anscheinend haben sich länger keine Tester über die Elbe getraut, denn ein Besuch lohnt sich noch immer. Ausgezeichnet wurde ihr Bemühen um die Esskultur ihrer Heimat jüngst mit dem zweiten Platz beim Hamburger Gastro-Award in der Kategorie "Europäische Küchen".

1972 kam Juan Barreiro senior als Koch nach Deutschland. Nach diversen Restaurants in Hamburg eröffnete er 1995 das Meson Galicia in der Maretstraße. Ein scheinbar schwieriger Standort. Wer findet ein Restaurant versteckt im Problemviertel ohne Parkplätze vor der Tür? Doch Qualität setzte sich durch. Viele Gäste schätzen die familiäre Atmosphäre. Hier hat sich in 14 Jahren optisch nicht viel verändert. Heutzutage leitet Juan Barreiro junior das Restaurant. Papa und Mama lassen sich nur noch zwei Monate im Jahr blicken, bevorzugen in der Zwischenzeit das warme Spanien.

Galizien besitzt die größte Fischfangflotte Europas. Naturgemäß spielen Wasserbewohner im Meson Galicia die Hauptrolle. Aber so ganz authentisch will und kann man nicht sein. Galizier essen ihre Meeresfrüchte kalt und gedünstet. Das würden die Hamburger Gaumen nicht mitmachen. Vom Grill geht aber immer: frisches Tunfischfilet mallorquinische Art (17,50 Euro), Dorade an der Haut gegrillt mit Gambas und Knoblauch (17,50 Euro) oder der Wolfsbarsch mit Gambas (18,50 Euro). Allerdings sei der Gast bequemer geworden, sagt Juan Barreiro. "Ein Fisch im Ganzen ist nicht mehr gefragt, jeder möchte ein grätenfreies Filet."

Brot mit Aioli gehört seit 1995 zum Vorprogramm. Danach bestellen die meisten Tapas. Vongolemuscheln, Datteln im Speckmantel, Sardellen, Champignons in Knoblauch oder Bohneneintopf mit Chorizowurst heißen die kleinen Spezialitäten in Tonschalen. Sechs davon gehören zum Vorspeisenteller ab zwei Personen für je 9,50 Euro.

Übrigens: In Spanien bringen die Heiligen Drei Könige erst am 6. Januar die Geschenke. Soviel Geduld möchte der Chef den eigenen Kindern hierzulande ersparen. Geschenke gibt es Heiligabend. Dann trifft sich die ganze Familie mit fast 20 Personen zu Hause. Für die Gäste ist man wieder am ersten Weihnachtstag da und schiebt zum Beispiel das traditionelle Zicklein in den Ofen, eingecremt mit Mandelöl und Knoblauch, serviert im Tontopf und ausgezeichnet mit günstigen 18,50 Euro.

Athena

Der Grieche Waios Nakoudis setzt in Stelle ebenfalls auf köstliche Kleinigkeiten und nennt sie Mikros. Von gefüllten Champignons mit Tomaten und Zwiebeln unter gratiniertem Käse (3,40 Euro) über Lamm- oder Straußenfilet (4,60 Euro) bis hin zu Calamaressalat (3,50 Euro) oder Scampi (5,50 Euro) ist fast alles als Miniportion erhältlich.

Seit 27 Jahren beweist Familie Nakoudis, dass griechische Küche auch anders schmecken kann: besser. In der Küche hat Sohn Ilias die Leitung übernommen, Mutter Maria und Tochter Christina machen den Service.

Griechenland gilt als Wiege der Demokratie. Deswegen darf das Volk mitbestimmen. Bei den Speisen haben ihre Gäste eine große Portion Mitspracherecht. Gerichte werden auf der Tafel getestet und erst, wenn sie die Mehrheit der Gästegaumen beglücken, kommen sie in die Karte. Das Athena ist immer für Überraschungen gut. Kommunikation gehört hier zum Genuss. Sehr gerne bereitet man Meeresbewohner zu und stellt die Tiere persönlich vor. Braten und beraten. Mittwochs geht der Küchenchef auf Fischfang nach Hamburg.

Nach einem Vierteljahrhundert erstrahlt das Ambiente: Mehr kleine Tische als früher stehen auf frischem Naturstein aus der Heimat. 90 Prozent Stammgäste schätzen die Familienfreundlichkeit und brauchen keine Karte mehr, sondern vertrauen den tagesfrischen Empfehlungen. Wenn sich Waios und Ilias besondere Fische wie Zackenbarsch oder Gelbschwanzbrassen geangelt haben, werden Stammgäste schon mal persönlich angerufen. Nicht nur Fisch und die Mikros-Portionen sind im Trend, sondern auch eine überschaubare Speisekarte. Früher enthielt diese 200 verschiedene Positionen, neuerdings wurde die Anzahl der Hauptgerichte halbiert. Weniger ist mehr.

Schnitzel oder Stint kommen nicht auf den Herd. Soviel Authentizität muss sein. Gleichwohl sind Gyros und andere Fleischgerichte vom Grill nicht wegzudenken. Sogar zum Fest wollen es die Gäste. Trotzdem versucht man es dieses Jahr mit einem deutschen Weihnachtsmenü. Vorweg eine Shiitake-Pilzcremesuppe, Salat vom Buffet, danach wahlweise Wildscheinfilet oder Perlhuhnbrust und abschließend eine Dessertüberraschung (26,90 Euro/23,80 Euro). An beiden Feiertagen ist geöffnet, Heiligabend geschlossen. In Griechenland gibt es erst Silvester die Geschenke. Deswegen hat sich Familie Nakoudis mit ihren Gästen auf einen Kompromiss geeinigt: Das eine Jahr gibt es eine große Silvesterparty für alle, das andere Jahr ist geschlossen. 2009 freuen sich wieder die Angestellten. Es lebe die Demokratie!