Neun Nachwuchs-Autorinnen stellen im Karl-Arnold-Ring 9 in kleinen Szenen Themen vor, die sie bewegen.

Kirchdorf-Süd. Dem ersten Anschein nach sind es leichte und lustige Sketche, bunte Geschichten und kleine Theaterszenen, die neun junge Frauen auf eine Bühne bringen wollen. Wie bereits im letzten Jahr wird ein Treppenhaus für sie zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Seit Tagen wird an jedem Satz gefeilt, Ideen werden eingebracht, wieder verworfen. Am Donnerstag soll eben alles perfekt werden, wenn unter dem Titel "Was lebst du?" die zweite Treppenhauslesung in Kirchdorf-Süd stattfindet.

"Die Mädchen haben während ihrer Arbeit vollkommene kreative Freiheit bekommen. In ihren Texten konnten sie jegliche Themen verarbeiten, die sie gerade umtreiben", sagt Dilat Sen, die Leiterin des Schreib- und Theaterworkshops, der seine Ergebnisse am kommenden Donnerstag, 19.November, im Treppenhaus vom Karl-Arnold-Ring 9 vorstellt. Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Wohnungsunternehmen Süd, den "Dollen Deerns e.V." und dem Projekt "Erlesen" des Forums Bildung Wilhelmsburg. Entstanden sind dabei in den letzten Wochen melancholische, ernste Texte, aber auch Stücke mit einer ordentlichen Portion Humor und versteckter Gesellschaftskritik. Einige der Mädchen haben die Aufgabe bereits zum zweiten Mal angenommen. Vor einem Jahr war schon die erste Treppenhauslesung ein voller Erfolg geworden.

Für die 18 Jahre alte Nazli waren es die Wahlen im Iran, die sie zu ihrem Text inspiriert hat. "Wir stellen in meiner Geschichte die Szene eines Schulunterrichts nach, in dem über dieses heikle Thema diskutiert wird", sagt die junge Frau. Sie selbst spielt ein Mädchen, das parallel zum Unterricht wie in einem Traum ihre Gedanken zu den Problemen im Iran schweifen lässt, versteckt Kritik äußert und ihre Hoffnungen preisgibt. "Natürlich verarbeiten wir unsere Empfindungen und Erfahrungen in den Geschichten", erklärt die 19 Jahre alte Meryem, die bereits im letzten Jahr bei der Treppenhauslesung mitgewirkt hat. "Aber alles, was dargestellt wird, ist fiktiv." Sie selbst entwickelte vier kurze Sketche, die mit Humor die Medienwelt aufs Korn nehmen.

Thematisiert wird in den Stücken zudem der Bereich "Frauen im Islam", und die Rolle verschiedene Nationalitäten in der Gesellschaft wird von einer ganz anderer Art und Weise beleuchtet. Dabei wird klar, wie kritisch, politisch und tiefgründig die Mädchen auf ihre Umwelt blicken. "In der Aufführung werden wir in verschiedenen Sprachen spielen, nicht alles wird auf deutsch dargestellt werden", sagt die 31 Jahre alte Leiterin des Workshops. "Unser Ziel ist es, dass besonders bei diesen kritischen Themen der Sinn klar wird, auch wenn man nicht wirklich jedes einzelne Wort versteht." Eine große Herausforderung, die aber auch die 13 Jahre alte Fatima-Zeynep angenommen hat. "Ich habe mich mit dem Thema Nationalitäten beschäftigt - und das war gar nicht so einfach", sagt die Siebtklässlerin. "Aber ich habe Unterstützung bekommen, wir haben gemeinsam an allen Geschichten noch ein wenig herumgefeilt." Den jungen Frauen bleibt nun nicht mehr viel Zeit, um ihre Aufführung zu perfektionieren - immerhin wollen sie das im Treppenhaus stehende Publikum mindestens eine Stunde lang mit ihrer Vorstellung unterhalten. Guten Mutes sind sie jedoch alle. "Bei uns spielen weder viele Requisiten noch Kostüme eine große Rolle", sagt Organisatorin Dilsat Sen. "Im letzten Jahr war die Veranstaltung ein voller Erfolg - und da wollen wir in diesem Jahr natürlich anschließen."