Zwei Verwaltungschefinnen berichten über ihre Karrieren: In der freien Wirtschaft hätten sie es schwerer gehabt.

Harburg. Frauen gehört die Hälfte des Himmels - so lautet ein chinesisches Sprichwort. In Deutschland müsste ihnen sogar mehr als die Hälfte gehören, da sie in der Gesellschaft die größte Gruppe darstellen: Unter den 82 Millionen Einwohnern befinden sich rund 42 Millionen Frauen. Doch wie berichtet müssen viele berufstätige Frauen in Sachen Bezahlung und Perspektiven zurückstecken. Vielfach werden sie benachteiligt, erhalten laut Studie der Hans-Böckler-Stiftung durchschnittlich 23 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen und finden sich seltener in Führungsetagen von Unternehmen wieder.

Bei der Harburger Bezirksverwaltung läuft es anders. Eine Anfrage der Bürgerschaft ergab, dass der Bezirk verglichen mit anderen Hamburger Zentralverwaltungen mit 41 Prozent den höchsten Frauenanteil in Führungspositionen aufweist. Im Vergleich zur gesamten hamburgischen Verwaltung rangiert er sogar auf dem vierten Platz.

Zwei der Harburger Verwaltungschefinnen sind Heike Schwartz (56), seit 2001 Leiterin des Harburger Standesamtes und Doris Kalinowski (46) die dem Sozialen Dienstleistungszentrum vorsteht.

Auf dem Schreibtisch von Heike Schwartz liegt ein Zeitungsbericht. In großen Lettern steht dort "Erste Frau erhält Wirtschaftsnobelpreis". Schwartz schüttelt den Kopf. "Dass dies heutzutage noch so herausgehoben werden muss, ist traurig." Frauen hätten im Berufsleben erheblichen Nachholbedarf. Sie ist froh, eine Verwaltungskarriere verfolgt zu haben. "Hier haben Frauen die gleichen Chancen wie Männer", ist sie sich sicher. Auch Doris Kalinowki bestätigt, dass berufliches Vorankommen bei Ämtern und Behörden für Frauen "vielleicht ein Stück selbstverständlicher als in der Freien Wirtschaft" ist. Voraussetzung: "Zielstrebig sollte man schon sein. Auch das nötige Quäntchen Ehrgeiz darf nicht fehlen", sagen beide.

Für Heike Schwartz war schon nach dem Abitur 1975 klar, dass sie "in die Verwaltung" wollte. Nach drei Jahren Ausbildung an einer Verwaltungsschule wechselte sie ins Harburger Liegenschaftsamt. Ihre Kollegin Doris Kalinowski machte erst einmal eine kaufmännische Lehre, bevor sie sich für eine Beamtenkarriere entschied und drei Jahre an einer Verwaltungsakademie studierte. Sie startete 1988 im Sozialamt als Sachbearbeiterin, wurde 1994 Abteilungsleiterin, dann 2008 Leiterin des Dienstleistungszentrums.

Heike Schwartz pausierte erst einmal, als 1980 ihre Tochter Gesa zur Welt kam, wollte aber wieder tageweise einsteigen, wenn die Tochter in den Kindergarten kam. "Das klappte aber nicht so, wie ich es mir vorstellte. Der Kindergarten spielte nicht mit, also blieb ich zu Hause, bis Gesa 1988 zur Schule kam. Danach wechselte ich zum Standesamt, wurde Abteilungsleiterin, dann 1994 Leiterin. Ohne Probleme." Das wäre in der freien Wirtschaft ohne Jobverlust nicht möglich gewesen, glaubt sie.

Eine Einschätzung, die Sozialexpertin Kalinowski teilt. "Die Kinderbetreuungsmöglichkeiten müssten besser sein, dann würden viele Frauen es leichter haben, Familie und Beruf in Einklang bringen zu können." Der KiTa-Gutschein, der jedem Kind einen Betreuungsplatz garantiere, sei ein großer Fortschritt. Allerdings: "Was nützt es, wenn der Gutschein nur Betreuungsmöglichkeiten für vier Stunden am Nachmittag gewährt. Das macht kein Arbeitgeber mit." Da müsse nachgebessert werden, "sonst geht dem Arbeitsmarkt auf Dauer zu viel Potenzial verloren", so Kalinowski.

Doch auch die Frauen selbst müssten umdenken, sagen beide. "Es gibt so viele gut qualifizierte Frauen, die sich scheuen, dieses Knowhow auch zu zeigen", sagt Schwartz. "Da ist mehr Mut gefragt." Ein wenig Durchsetzungsvermögen ist auch vonnöten. So hat das Standesamt 20 Mitarbeiter, das Dienstleistungszentrum 76. Auch Mitarbeiterführung will gelernt sein. "Da muss man rein wachsen", so Schwartz.

Wichtig sei es außerdem, zu sich selbst zu stehen. "Flexibilität ist ja schön und gut, doch man muss von seinem Handwerk schon etwas verstehen." So haben beide Frauen kein Problem, sich langfristig für Projekte zu engagieren. Schwartz war federführend, als das Harburger Standesamt Paaren anbot, sie auch am Wochenende in den Trauungszimmern des Standesamtes zu verheiraten. Dafür war viel Büro- und Überzeugungsarbeit notwendig gewesen. "Wir waren bundesweit das erste Standesamt, bei dem das möglich war", sagt sie stolz.

2004, als Hartz IV eingeführt wurde, arbeitete Kalinowski mehr als zwölf Stunden pro Tag, setzte sich sehr für Betroffene und Mitarbeiter ein. Zurzeit engagiert sie sich für die Planungen eines neuen Dienstleistungszentrums in Harburg, war an der Eröffnung des Pflegezentrums maßgeblich beteiligt. "Überstunden darf man nicht scheuen. Das muss Lebenspartnern klar sein, und das sollte auch akzeptiert werden", so Kalinowski. - Alles Voraussetzungen, die auch Top-Managerinnen in der freien Wirtschaft für einen Spitzenjob mitbringen müssen. "Tauschen möchte ich mit denen aber nicht", sagt Heike Schwartz und schaut zufrieden aus ihrem Bürofenster in den Himmel über Harburg.