Wer heute am Markt bestehen will, muss seinen Hof wie jeden anderen modernen Betrieb führen. Der Konkurrenzdruck ist groß.

Wischhafen. Immer wieder leuchtet das rote Textfeld auf. Klaus Wist (54) schaut gebannt auf den Bildschirm. Es ist kühl in dem weiß gekachelten Raum. Vor 50 Jahren hat sein Vater hier die Kühe gemolken, auf einem Holzschemel sitzend, mit der Hand. Heute steht ein Schreibtisch an der Wand, darauf ein Computer. Wie lange ist die letzte Besamung her? Wie viel Milch gibt jedes Tier? Das Programm verrät alles.

"Nur 25 Liter, das ist zu wenig", murmelt Klaus Wist. Seit 1703 ist der Hof in Wischhafen, Landkreis Stade, in Familienbesitz. 1990 hat er ihn von seinem Vater übernommen, seit vier Jahren führt er den Milchvieh-Betrieb zusammen mit seinem Sohn Carsten (29) und seiner Frau Gundi (53). Klaus Wists Blick schweift über die Rücken seiner Kühe. 1300 Quadratmeter ist der neue Stall groß. Als er den Betrieb übernahm, gehörten 70 Kühe zum Betrieb, mittlerweile besitzt er 220 Tiere, die je 8000 bis 10 000 Liter Milch pro Jahr geben. Die technische und wissenschaftliche Entwicklung machte es möglich. "Jede Generation hat fortschrittlicher gearbeitet als die vorige", erinnert er sich. "Aber in den letzten 15 Jahren hat sich der Beruf des Landwirts noch einmal radikal verändert."

Landwirte sind heute eher Manager als Bauern. Ihre Ausbildung müsse dabei stetig an die wirtschaftliche und technische Entwicklung angepasst werden, forderte kürzlich der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Gerhard Schwetje. Volks- und betriebswirtschaftliche Aspekte, die Ausrichtung auf globale Märkte, werden immer wichtiger.

Von 1971 bis 1976 machte Klaus Wist eine Ausbildung zum Landwirt. Nach einem Praxisjahr folgte der Meister. Dafür besuchte er zwei Jahre die höhere Landwirtschaftsschule in Celle. Gut 20 Jahre später schlug sein Sohn Carsten die gleiche Laufbahn ein. Bodenpflege, Instandhaltung von Maschinen, Marktwirtschaftliche Vermarktungsformen: "Thematisch hat sich die Ausbildung nicht viel geändert", so Carsten Wist. "Aber die Inhalte sind komplexer geworden." Kein Wunder: "Wenn früher eine Kuh krank wurde, hat man den Arzt gerufen. Wir haben in der Ausbildung gelernt, wie man ihr eine Gluckoseinfusion gibt." Und: "Wollte ein Landwirt früher seinen Betrieb vergrößern und zehn Kühe kaufen, hat er sich vom Vater Geld geliehen. Heute kauft er 100 Kühe und legt seiner Bank einen Buisiness Plan für einen Kredit vor."

Gundi Wist deckt den Tisch in dem alten Bauernhaus. "Die körperliche Anstrengung in unserem Leben ist weniger geworden", sagt die gelernte Hauswirtschafterin. "Vor 20 Jahren standen wir jeden Morgen um 5.30 Uhr mit der Forke im Stall und haben die Tiere gefüttert." Heute übernimmt einen Großteil dieser Arbeit der Futtermischwagen. "Trotzdem war es damals gemütlicher. Wir hatten mehr Zeit für einander." Die Arbeit war zwar anstrengender aber auch überschaubarer und der Druck nicht so groß.

Der Preiskampf auf den globalen Märkten ist in den letzten Jahren immer härter geworden und die Dumpingpreise der Discounter drücken viele Milchbauern an die Wand: 2008 erhielten die 14 000 niedersächsischen Milchviehhalter für ihre Milch noch 31,08 Cent pro Kilogramm, dieses Jahr waren es nur noch 22,40 Cent. "Betriebe, die bestehen wollen, müssen eigentlich alle zehn Jahre ihre Wirtschaftskraft verdoppeln", sagt Klaus Wist. Die "Wachstumsschwelle" liege dabei mittlerweile bei etwa 75 Hektar, laut Lehrmeinung der Ökonomen. Die Zahl der Betriebe über dieser Größenordnung wächst, die darunter schrumpft. Es sei denn, die kleinen Betriebe bedienen Nischen, wie zum Beispiel Öko-Höfe.

"Als ich den Betrieb damals von meinen Eltern übernommen habe, umfasste er 60 Hektar bewirtschaftetes Land, heute haben wir 300 Hektar, davon sind neben der Milchvieh-Haltung 100 Hektar Weizen- und Raps- sowie sechs Hektar Apfelanbau", so Klaus Wist.

Aber stetes Expandieren alleine reiche nicht aus. Lebenslanges Lernen sei heute wichtiger denn je. Das gilt nicht nur für junge Landwirte wie die Auszubildenden des Hofes - Sven Ropers (17) und Katrin Lindner (23). "Auch ich besuche mehrere Fortbildungs-Seminare im Jahr, informiere mich im Internet über neue Techniken und Zuchtmethoden und besuche die Landwirtschaftsmesse in Hannover", erzählt der Senior.

17 Uhr: Nacheinander trotten die Kühe zur Melkmaschine. "Ihre Euter stimulieren wir noch mit der Hand", erzählt Klaus Wist. Auch das übernehmen in vielen Betrieben mittlerweile Maschinen. Der Landwirt streicht den Tieren über den Rücken. "Bei aller Wirtschaftlichkeit behalten wir das Wohl unserer Kühe immer im Blick." Schließlich war es der Umgang mit den Tieren, die Freude an der Natur, die ihn damals den Beruf des Landwirtes haben ergreifen lassen.